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Mit Dorrit Nebe und Inge Schmidt widmet das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr zwei in Köln lebenden Künstlerinnen in den beiden großen Obergeschossräumen jeweils eine Einzelausstellung. Obwohl die beiden Künstlerinnen von völlig anderen Grundvoraussetzungen ausgehen – Schmidt ist Bildhauerin, Nebe Malerin – binden überraschende Korrespondenzen diese Doppelpräsentation zusammen.

Inge Schmidt (Jg. 1944) studierte von 1975 – 1981 an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste – Städel – Frankfurt am Main Bildhauerei. Der Ausstellungstitel Stückwerke gibt Auskunft über Schmidts bildhauerisches Denken. Die raumgreifende Arbeit, die sie für Mülheim konzipiert hat, besteht aus vielen Einzelelementen, die ihrerseits aus verschiedenen Teilen und Materialien zusammengesetzt sind. Bei jedem einzelnen Werk, das sich am Boden des Ausstellungsraumes mit den anderen zu einer Art architektonischer Landschaft zusammenfindet, ist der Entstehungsprozess offen gelegt. Aus Holz, Karton und Pappen, die sie mit Drähten, Schnüren oder Tackern zu plastischen Einheiten verbindet entstehen räumliche Gebilde, die eine Balance halten zwischen Abstraktion und konkreter Lesbarkeit. Wir treffen auf hoch aufragende Holzstelen, die sich mitunter merkwürdig krümmen und biegen und in ihrer Fragilität einen imaginären Raum umschreiben. Auf wackelig erscheinenden, kleinen Podesten ruhend erzählen sie von Labilität und Gleichgewicht, aber auch von ihrer Beziehung zu den umliegenden Objekten. Wie erste Gedankenentwürfe eines Architekten oder Designers wirken tischartige Elemente oder kubische Bauten, die jedoch niemals geschlossen sind, aber auch nicht ganz einsehbar. Inge Schmidt arbeitet mit Schichtungen, Bündelungen, Auffächerungen oder Schnürungen immer nur bis zu dem Punkt, an dem die plastische Idee sichtbar wird. In ihrer minimalistischen Arbeitsweise reduziert sie sich auf das Wesentliche. Das Fragment ist bereits das Ergebnis, das dem Betrachter seinen Assoziationsraum lässt. Der besondere Reiz in Schmidts Plastiken besteht zudem einmal im Spiel mit Maßstäben, aber auch im Spiel mit Licht und Farbe. Feine Farbnuancen und Farbverläufe, meist ausgehend von Weiß stellen einen Bezug zur Malerei und damit auf Umwegen zu Dorrit Nebe her. Eine Reihe von Zeichnungen wird in der Ausstellung auch Einblicke in diesen Werksbereich geben, der unabhängig von den Plastiken entstanden ist.

Dorrit Nebe (geb. 1953 in Heidelberg) studierte nach einem Biologiestudium in Frankfurt und Tübingen von 1978 – 1982 an der Kunstakademie Stuttgart Malerei. Unter dem Titel vorübergehend stellt sie in Mülheim ihren neuesten Werkkomplex vor. Es handelt sich dabei um einen umfangreichen, großformatigen Bilderzyklus, der von Fotografien, die ebenfalls gezeigt werden, seinen Ausgang nahm. Aus dem Fenster ihrer Kölner Wohnung, die an einer Straßenkreuzung liegt hat sie über einen längeren Zeitraum zufällig vorüber kommende Passanten ins Visier genommen. Dabei wurde die Künstlerin nicht von einem distanzlosen Voyeurismus geleitet, sondern von dem Bestreben, Bewegungen festzuhalten. An der Fotografie interessieren sie die Momente, in denen das Medium dem der Malerei nahe kommt. So sehen wir in ihren Fotos keine konkreten Personen, sondern vielmehr Schemen, deren Konturen verwischt sind. Sie scheinen sich in einem merkwürdig bodenlosen, ungenauen Raum zu bewegen, dessen Perspektiven ständig kippen. In den Malereien steigert Nebe diese räumliche Ungewissheit weiter. Wie aus weißen Nebeln treten Menschen in den Bildern aus dem Grund der Malerei hervor. Der Titel „vorübergehend“ ist durchaus zweideutig zu verstehen. Er bezieht sich nicht nur auf ein räumliches Vorübergehen, sondern auch auf die Dimension der Zeit, auf das Gefühl nichts festhalten zu können. Dorrit Nebe setzt in ihren Malereien nicht nur Acryl und Pastell ein, sondern auch den Kohlestift, um Umrisse zu skizzieren, oft kratzt sie Farbe wieder ab. Sie arbeitet wie Inge Schmidt mit dem Moment der Reduktion, der Wegnahme von Unwesentlichem. So erscheinen ihre meist alleine durch die Bildräume schreitenden Menschen denn auch, trotz zeitgenössischer Kleidung, zeit- und ortlos. Eine gewisse Melancholie liegt über Nebes Fotografien und ihrer Malerei.

Zur Ausstellung erscheinen zwei Kataloge „Dorrit Nebe – vorübergehend“ und „Inge Schmidt – Stückwerke“ mit je 32 Seiten, Texten von Dr. Gabriele Uelsberg.

Pressetext

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Dorrit Nebe „vorübergehend“

Inge Schmidt „Stückwerke“