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Ein Kind stampft und singt und knetet aus Lehm eine Welt. Was als spielerische Aneignung von Wirklichkeit zur kindlichen Entwicklung gehört, wird in der Verwandlung der Künstlerin Blán Ryan zum Schöpfungsmythos transformiert. Wenn man darüber hinaus weiß, daß das Kind die Tochter der Künstlerin ist, schließt sich ein Kreis, der Künstlerin, Kreativität und Kinder verbindet und somit das Gegenteil zur Fixierung der Frau auf „Kinder, Küche, Kirche” markiert. Das Paula Modersohn-Becker Museum in der Bremer Böttcherstraße widmet dem Thema „Kunst, Kinder, Karriere” mit „doublebind” seine neueste Ausstellung.

Signe Theill, Kuratorin des Projekts, hat die bereits von Mai bis Juni 2003 mit großem Erfolg im Künstlerhaus Bethanien in Berlin gezeigte Ausstellung für Bremen neu überarbeitet. Selbst Künstlerin und Mutter spricht sie aus eigener Erfahrung: „Kinder zu haben, kann den Blick auf alles gewaltig verändern, was man ideologisch bereits bewältigt glaubte.”

Wie lassen sich Berufstätigkeit und Kind vereinbaren, wie verändert sich der eigene Lebensentwurf, wie geht man damit um, plötzlich rund um die Uhr für jemanden verantwortlich zu sein? Unterschiedliche Antworten finden die Künstlerinnen auf diese Fragen und zeigen dabei, welches Kapital sie für sich selbst und ihre Kunst aus den neuen Erfahrungen, aus dem Erlebnis der Mutterschaft, schlagen. Gerade in der bildenden Kunst ist dieses Thema provokativ, herrscht hier doch noch oft der Mythos des autonomen Künstlers, der frei von sozialen Verpflichtungen, seiner Kunst nachgeht.

Gezeigt werden Werke von arrivierten Künstlerinnen wie VALIE EXPORT, Louise Bourgeois, Mary Kelly, Ulrike Rosenbach und Niki de St. Phalle. Diese haben sich schon in den 70er Jahren mit dem Thema der Künstlerin als Mutter auseinandergesetzt und teilweise ganze Arbeitszyklen entworfen. Signe Theill hat als Kuratorin gezeigt, daß die „Mutterschaft” für Künstlerinnen ein Thema ist, welches im Gegensatz zum sattsam bekannten Thema des „Junggesellen” und der „Junggesellenmaschine” bisher so fast nie als Sujet begriffen wurde, und wenn, dann unter dem Aspekt der „Frauenkunst” abgetan wurde.

Welche gesellschaftliche Dynamik das Thema entfalten kann, wird von den Künstlerinnen der Ausstellung „doublebind” gezeigt. Zehn jüngere Künstlerinnen haben Arbeiten speziell für diese Ausstellung realisiert, die ihre Situation aus aktueller Perspektive darstellen. Die Künstlerinnen reflektieren ihre Situation innerhalb des Kunstbetriebs, konfrontieren sich mit Familienstrukturen, erfahren ihre Umwelt durch die Kinder ganz neu und thematisieren ihr Mutter-sein als gesellschaftliche Rolle. Der Betrachter der Werke erhält ein einzigartiges, post-feministisches Spiegelbild der gesellschaftlichen Strukturen vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Für das Paula Modersohn-Becker Museum und das Werk der namensgebenden Künstlerin bildet die Ausstellung eine paradoxe Spiegelung: Tragischerweise blieb genau die Erfahrung, als Künstlerin mit Kind zu arbeiten, der Malerin verwehrt. Sie starb nur wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter. Ihr tragisches Schicksal überschattet seitdem die Rezeption. Der Kunstkritiker Richard Hamann ging 1925 sogar soweit, ihr Werk als gemalten „Schrei nach dem Kinde” zu bezeichnen.

Die in der Ausstellung gezeigten Videoporträts mit 21 Künstlerinnen vermitteln die sozialen und produktionstechnischen Probleme, die Arbeit im Atelier und in der Familie unter einen Hut zu bringen. Die von Signe Theill geführten Interviews zeigen die Frauen in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld und individuellen Situationen. Den Ausstellungsbesuchern eröffnet sich die Möglichkeit, die ausgestellten Werke jeder einzelnen Künstlerin in Bezug zu ihrem Arbeitsplatz, dem Kunstbetrieb und ihren ganz persönlichen Lebensumständen zu setzen.

Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Rollenbilder im Wandel ... ” beleuchtet die Arbeitsteilung in Beruf und Familie im europäischen Vergleich. Im Filmprogramm, das in Zusammenarbeit mit dem Bremer Kino 46 veranstaltet wird, werden die Filme „Wo ist Mama” von Kirsten Esch „Rabenmütterjournal” von Bettina Clasen, 2001 „Muttertier-Muttermensch” von Helke Sander, 2001 „Menschenfrauen” von VALIE EXPORT, 1979 gezeigt. Zusätzlich finden gemeinsam mit den Künstlerinnen Veranstaltungen speziell für Kinder statt.

Die Ausstellung zeigt Werke der folgenden Künstlerinnen: Tina Bara (Berlin) Ewa Partum (Berlin) Eva Bertram (Berlin Tyyne Claudia Pollmann (Berlin) Louise Bourgeois (New York) Ulrike Rosenbach (Köln) Mariola Brillowska (Hamburg) Aura Rosenberg (New York) Myrel Chernick (New York) Blán Ryan (Berlin, Irland) VALIE EXPORT (Köln/Wien) Judith Samen (Düsseldorf) Twin Gabriel (Berlin) Petra Seelenmeyer (Berlin) Sibylle Hofter (Berlin) Bettina Semmer (Berlin) Jenny Holzer (New York) Susanne Stövhase (Berlin) Mary Kelly (New York) Niki de St. Phalle (Frankreich) Marian Kiss (Berlin) Annelies Strba (Schweiz) Käthe Kruse (Berlin) Caroline Weihrauch (Berlin) Hanna Lentz (Berlin) Ute Weiß-Leder (Berlin) Rune Mields (Köln)
Der im Vice Versa Verlag erschienene Katalog enthält Beiträge von Gislind Nabakowski, Peter Funken und Claudia Wahjudi.

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doublebind. kunst kinder karriere
Künstlerinnen mit Kind – Videoporträts mit Künstlerinnen

Künstler:
Tina Bara, Ewa Partum, Eva Bertram, Tyyne Claudia Pollmann, Louise Bourgeois, Ulrike Rosenbach, Mariola Brillowska, Aura Rosenberg, Myrel Chernick, Blán Ryan, VALIE EXPORT, Judith Samen, Twin Gabriel, Petra Seelenmeyer, Sibylle Hofter, Bettina Semmer, Jenny Holzer, Susanne Stövhase, Mary Kelly, Niki de Saint Phalle, Marian Kiss, Annelies Strba, Käthe Kruse, Caroline Weihrauch, Hanna Lentz, Ute Weiß-Leder, Rune Mields
Kuratorin: Signe Theill

Stationen:
29.2.03 - 9.5.04 Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen
11.5.04 - 9.6.03 Künstlerhaus Bethanien, Berlin