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Ed Atkins ist einer der markantesten Vertreter einer jungen Künstlerinnengeneration, die sich mit der Allgegenwärtigkeit digitaler Medien auseinandersetzt. In seinen computergenerierten Filmen schafft er Welten von forcierter Künstlichkeit, deren ramponierte und einsame Protagonistinnen er hypergenau und in entwaffnender Nähe inszeniert. Atkins’ Animationen zeigen das Zeigen der digitalen Medien selbst und streben gleichzeitig einen verstörenden Grad von Realismus an. Sie geben eine unbehagliche Version des Wohlvertrauten wieder und gehen unmittelbar unter die Haut – ähnlich wie bereits die Vorstellung von „altem Essen“ eine körperliche Reaktion hervorruft.

Bekannt wurde Atkins durch eine Reihe von Videoinstallationen, in denen CGI-Avatare erscheinen, die durch Motion-Capture-Technik animiert und in Mimik und Stimme eng mit der Person des Künstlers verbunden sind. In seinem jüngeren Werk löst Atkins diese Figuren immer weiter von sich ab und öffnet seine Arbeiten für allgemeinere gesellschaftliche Fragen.

Für den Martin-Gropius-Bau und das Programm Immersion entwickelt Atkins ein Gesamtkunstwerk, das vom allegorischen Potenzial des digitalen Filmemachens ausgeht und Phänomene wie Begehren, Historizität, Melancholie und Dummheit untersucht. „Old Food“ ist seine bisher umfangreichste Installation und choreografiert ein Kammerspiel voll dubioser Sentimentalität und historischer Ungenauigkeit. Mit den Mitteln von Karikatur und Parabel beschwört der Künstler das Niemandsland einer nostalgischen Fantasywelt herauf, deren entgleisender Eskapismus das Scheitern des Fantastischen an romantischen Weltentwürfen vorführt, deren Realität am Ende immer sehr prosaisch und nüchtern ist.

Atkins’ neuen computergenerierten Arbeiten auf großen Monitorwänden und Flat-Screens steht eine Fülle von Kostümen aus dem Fundus der Deutschen Oper Berlin gegenüber. Sie werden in der Ausstellung genau so präsentiert, wie sie im Opernhaus aufbewahrt werden. So sieht man die Kostüme, die sonst nur auf der Bühne im Rahmen des szenischen Worldbuilding erscheinen, plötzlich von ihrer Funktion befreit und in ihrer Existenz backstage. Ganz ähnlich verfremden sich auch Atkins’ Videos bei ihrer Präsentation selbst – sie spielen mit den Konventionen des filmischen Realismus genauso wie mit in der Regel eher unbewusst wahr- und eingenommenen Standards der Technologie. Als Objet Trouvé bilden die handgefertigten Bühnenkleider in ihrer Haptik und Objekthaftigkeit eine Gegenerzählung zur hochauflösenden Digitalität der Videoarbeiten, mit denen sie gleichzeitig die Lust an der Produktion alternativer, künstlerischer Wirklichkeiten verbindet. Atkins’ Show im Martin-Gropius-Bau ist großes Theater im Bewusstsein der unzähligen Schichten von Performativität, unter denen nie das Echte zum Vorschein kommt, sondern immer nur eine weitere Ebene des Seins, ein anderes Gesicht des Lebens, ein neuer frischer Blick.

Ed Atkins wurde 1982 in Oxford, Großbritannien, geboren. Er studierte an Central Saint Martins (BA) und an der Slade School (MA) in London. Seinem Werk wurden in den letzten Jahren zahlreiche Einzelausstellungen gewidmet u.a. im MMK Frankfurt (2017), dem Castello di Rivoli, Turin (2016), The Kitchen, New York (2016), dem Stedelijk Museum, Amsterdam (2015) und der Serpentine Gallery London (2014). Atkins ist zugleich als Schriftsteller tätig. 2014 veröffentlichte er „A Seer Reader“. 2016 erschien die Textanthologie „A Primer for Cadavers“ bei Fitzcarraldo Editions