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Einhundert Jahre nach dem Tod Egon Schieles präsentiert das Belvedere einen der innovativsten Beiträge zum diesjährigen Gedenkjahr. Im Mittelpunkt der Schau steht die hauseigene Schiele-Sammlung. Zum einen wird der Fokus auf die Sammlungsgenese gelegt, zum anderen wird die Geschichte hinter den Bildern erzählt. Die Ergebnisse modernster kunsttechnologischer Untersuchungen ermöglichen neue Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers und enthüllen bislang unbekannte Facetten der Entstehung seiner Meisterwerke. Die Schiele-Sammlung des Belvedere umfasst heute zwanzig Werke, darunter 16 Gemälde. Die Ausstellung geht den Wegen dieser Werke nach, von der Entstehung im Atelier des Künstlers bis zur Aufnahme in die Sammlung des Belvedere. Ankäufe, Schenkungen, Tauschgeschäfte, Museumreformen oder auch Restitutionen prägen die Wege dieser Bilder, in deren Geschichten auch die abwechslungsreiche Sammlungsgeschichte des Belvedere offenkundig wird.

„Für mich ist es faszinierend zu sehen, welche Rolle ehemalige Direktoren bei der Entstehung dieser herausragenden Sammlung gespielt haben. Zum Beispiel der Weitblick von Franz Martin Haberditzl, der sehr früh Werke von Egon Schiele für die Belvedere-Sammlung kaufte, oder Karl Garzarolli-Thurnlackh dem wir die meisten Schiele Ankäufe verdanken. Und schließlich Gerbert Frodl, der 2003 das bislang letzte Schiele-Werk unter großen Anstrengungen erworben hat.“, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.

Eines der Hauptwerke seiner Sammlung verdankt das Belvedere seinem ehemaligen Direktor Franz Martin Haberditzl, der mit Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele im Jahr 1918 das erste Gemälde Egon Schieles für ein österreichisches Museum erwarb. Er selbst wurde von Schiele ebenfalls gemalt und erstand dieses Porträt 1917 privat. In der Ausstellung sind alle Gemälde zu sehen, die sich jemals im Bestand des Belvedere befunden haben, darunter prominente Leihgaben wie Bildnis Wally Neuzil oder Kardinal und Nonne (Liebkosung) aus dem Leopold Museum, Zeichnungen und Aquarelle aus der Albertina und weitere Arbeiten aus privaten Sammlungen im In- und Ausland, etwa auch einige Vorstudien.

Durch Archivalien – Inventarbücher, Korrespondenzen, Tauschprotokolle und Rechnungen – wird darüber hinaus die seltene Möglichkeit geboten, hinter die Kulissen eines Museums zu blicken. Eine Besonderheit stellen dabei Tauschgeschäfte dar, wie sie über viele Jahrzehnte von Museen und Institutionen durchgeführt wurden. Das Bildnis Wally Neuzil wurde etwa im Tausch gegen das Porträt Reinerbub aus der Sammlung von Rudolf Leopold abgegeben; die Kauernden Frauen und Kardinal und Nonne (Liebkosung) gegen mehrere Kunstwerke, darunter ein Ölbild von Klimt. Erst Anfang der 1990er-Jahre stellte das Belvedere die Tauschgeschäfte ein. Auch die Museumsreform von Hans Tietze und die damit verbundene Abgabe von Papierarbeiten an die Albertina in den frühen 1920er-Jahren veränderten den Gesamtbestand des Belvedere maßgeblich. Nicht zuletzt sind Sammlungen von Kunstwerken Schieles in öffentlichen Museen und Institutionen vor allem dem Engagement von Privatsammlerinnen und -sammlern und ihren Widmungen zu verdanken. Um die Sammlungsgeschichte des Belvedere nachzuzeichnen, bespricht Kuratorin Kerstin Jesse detailliert jedes Werk. Sie zeigt Aspekte wie Erwerb, Motiv und porträtierte Person auf bzw. konfrontiert mit Vorstudien oder verwandten Arbeiten.

„Zum ersten Mal beschäftigt sich eine Ausstellung mit der eigenen vielschichtigen Erwerbungshistorie anhand der Werke Egon Schieles. Diese wurden dem Museum geschenkt oder vom Museum angekauft, getauscht, abgegeben und restituiert. Darüber hinaus ist es uns gelungen, viele Details in Schieles Werk neu zu erschließen – sodass wir es wieder ein Stück besser verstehen können“, so Kerstin Jesse, Kuratorin der Ausstellung. In Vorbereitung der Ausstellung wurden umfangreiche maltechnische Forschungsarbeiten durchgeführt. Erstmals wurde der gesamte Schiele-Bestand eines Museums mit digitalem Röntgen, UV-Strahlung, Infrarotreflektografie, Mikroskop- und Makroaufnahmen genau untersucht. Die gezeigten Detailaufnahmen der Gemälde bieten eine ungewohnte wie eindrucksvolle Nahsicht auf Schieles Malerei. So wird deutlich, dass Schiele allen Materialien eine nahezu gleichwertige Bedeutung einräumte. Erst im individuellen Zusammenspiel von Bildträger, Grundierung, Kompositionslinien und Farben entwickelte er das Dargestellte und verlieh seiner Arbeit dadurch ihre charakteristischen Züge. Eindrucksvoll ist auch die maßstabsgetreue digitale Rekonstruktion der ersten, farbintensiveren Version des Gemäldes Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele, das Schiele wahrscheinlich auf Wunsch Haberditzls übermalt hat. Nach mehr als einem Jahrhundert ist das Porträt in Form einer Rekonstruktion annähernd so zu sehen, wie Schiele es ursprünglich ausgeführt hat. Im Rahmen der Ausstellung bringt das Belvedere Augmented Reality zum Einsatz, um einige der Forschungsergebnisse für die Besucherinnen und Besucher digital anschaulich zu machen, dies erneut in Zusammenarbeit mit dem Wiener Start-up Artivive.

Die App Artivive ist kostenlos bei Google Play und im Apple App Store erhältlich. Weitere Informationen und Download unter artivive.com. #bringArtToLife