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Im Rahmen der Ausstellung »Eigenheim, everything but the kitchen sink« werden Arbeiten von 19 internationalen Künstlerinnen und Künstlern vom 23. April bis 04. Juni 2006 die Räume des Alten Rathauses in Göttingen bewohnen. Der bilinguale Titel spiegelt den Ansatz der kuratorischen Zusammenarbeit wider, wobei der englische Part in etwa »alles was nicht niet- und nagelfest ist: mitnehmen« bedeutet.

Jedes Individuum definiert die Idee des »Eigenheims« für sich mit einer spezifischen Architektur aber auch mit Objekten, die ein bestimmtes Gefühl des »Zuhause-Seins« in einem Raum des persönlichen Glücks erzeugen sollen. Arbeit und Zeit werden investiert, Sorgfalt und Einfaltsreichtum kommen dabei zum Einsatz. Die »Nester«, die wir uns dabei schaffen, sind Zufluchtsorte, deren Design unsere ganz persönlichen Wünsche und Bedürfnisse widerspiegeln. Dieses Bedürfnis, einen sicheren und komfortablen Raum für unser Privatleben zu schaffen, mag ein allgemeines sein, doch die Vielfalt, die man antrifft, suggeriert endlose Möglichkeiten der individuellen Gestaltung.

Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler befragen das Sujet aus unterschiedlichen Perspektiven. Neben ortspezifischen Arbeiten, die sich mit den Materialien und Konstruktionstechniken des Hausbaus beschäftigen, gibt es solche, die die Welt des Designs durch die Verwendung von dekorativen Elementen und Einbezug von funktionalen Einrichtungsobjekten, erkunden. Des Weiteren finden sich Positionen, die psychologische sowie gesellschaftliche Bedeutungsebenen reflektieren.

Die Künstlerinnen und Künstler nähern sich dem Konzept Eigenheim insgesamt aus fünf verschiedenen Richtungen an. So hat sich die erste Gruppe der Künstler bei ihren Arbeiten auf die beim Hausbau verwendeten Materialen und Techniken konzentriert. Felix Schramms Skulpturen erwecken den Eindruck als sei das verwendete Material direkt einer Baustelle entnommen worden. Franz Hoefner und Harry Sachs bauen im Inneren des historischen Rathauses eine ortspezifische Eigenheim-Installation auf und verwenden dazu Muster-tapeten und vorgefundene Möbel. Eine Dia-Installation des Künstlers Michael Sailstorfer dokumentiert die bildhauerische Transformation einer Holzhütte, die in ihrem Kamin selbst verfeuert wird. Die in Zusammenarbeit von Richard Woods und Stefan Saffer entstandene Skulptur „R.I.P.“ ruft geheimnisvolle Assoziationen aus dem Inneren eines Eigenheims hervor, und eine Videoarbeit von Sofia Hulten handelt von psychologischen Obsessionen als soziale Handlungsmuster, die das Bewohnen der eigenen vier Wände hervorbringen kann. Eine dritte Kategorie greift bei ihren Arbeiten auf funktionelle Haushaltsobjekte mit dekorativen Designelementen zurück. Dazu gehören die Arbeiten Ellen Harveys, die Mustertapeten abmalt und anschließend auf die Originaltapete hängt, ebenso wie Katie Holtens meditative Pflanzenzeichnungen auf Bettwäsche, Papier und in einer selbst entwickelten Eigenheim-Broschüre. Thomas Fos’ Lampen aus Kokosnussschalen mit eingebauter Soundinstallation, sowie Maria Hedlunds Fotografien von Stühlen, die in einer perfekten Linie auf einem Holzfußboden aufgereiht sind, zählen ebenso dazu.

Eine weitere Position gewährt uns intime Einblicke in ein mit Sammlungen und Erinnerungen gefülltes fiktives Privatleben. In der Art, in der man Objekte in seinem Zuhause arrangiert und diesem dadurch einen persönlichen Aspekt verleiht, hat Carol Bove Bücherstapel in Regalen angeordnet. Mungo Thomson ruft mit seiner Soundinstallation von summenden Weingläsern Erinnerungen an allein verbrachte Stunden in den eigenen vier Wänden hervor. Ein präparierter Schäferhund, normalerweise treuer Begleiter und zuverlässiger Bewacher des Eigenheims, wechselt bei Elisabeth Hautmann als Kunstwerk die Seite und wird zum Opfer, zur Trophäe die vor dem Kamin ausliegt. Hautmann interessiert diese Verschiebung, nicht zuletzt da in ihrem familiärem Umfeld Geweihe, Felle, usw. eine große Rolle in der häuslichen Dekoration spielten und der Schäferhund Assoziationen von Spießigkeit hervorruft.

Die letzte Gruppe von in der Ausstellung vertretenen Kunstwerken repräsentieren und dokumentieren durch den Abstand den sie wahren das Konzept eines individuellen Zuhauses. Buchstäblich Distanz halten die Fotografien Peter Pillers und die Gemälde Dan Attoes, wenn sie uns Häuser als Objekte der Wohnbegierde aus der Ferne zeigen, auf ihre Fragilität und Inselhaftigkeit hinweisen und sie zu Stätten einer unwirklichen Gegenwart werden lassen. Eine Videoarbeit von Corinna Schnitt kommentiert schonungslos die Banalität und Langeweile einer idyllischen Mittelklasse-Traumwelt samt ihren Klischees von einem glücklichen Leben. Rupprecht Matthies’ Arbeit reduziert das Konzept “Eigenheim” auf einen Begriff und verteilt diesen als Ansteckpin an das Publikum. Weitere Wortskulpturen des Künstlers werden im öffentlichen Raum von Göttingen ausgestellt. Terence Gower inszeniert seine Fotos in kalifornischen Modellhäusern der Nachkriegszeit. Die Porträts der Frauen, die in ihren vorbildlichen Eigenheimen Hausarbeiten erledigen, werfen ebenfalls einen distanzierten Blick auf das eigene Heim, der den Betrachter nachdenklich werden lässt. Die Ausstellung »Eigenheim, everything but the kitchen sink« dokumentiert somit einerseits die vielfältigen Herangehensweisen beim Bau des »Nestes«, erarbeitet aber zugleich aus der Distanz eine Perspektive, die den Betrachter erahnen lässt, was es heißt, sich an einem Ort dauerhaft nieder zu lassen.

Dan Attoe (USA), Carol Bove (USA), FOS (DK), Terence Gower (CDN), Ellen Harvey (GB), Elisabeth Hautmann (D), Maria Hedlund (SE), Franz Hoefner / Harry Sachs (D), Katie Holten (IRL), Sofia Hulten (SE), Rupprecht Matthies (D), Peter Piller (D), Michael Sailstorfer (D), Corinna Schnitt (D), Felix Schramm (D), Mungo Thomson (USA), Stefan Saffer (D) / Richard Woods (GB)

Kuratoren: Laurie de Chiara und Bernd Milla

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