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EIJA-LIISA AHTILA. ECOLOGIES OF DRAMA
12.09.2017 - 16.12.2017

Eröffnung: Montag, 11. September 2017, 18 - 21 Uhr

Eine gigantische Fichte. Ihre Äste schwingen sanft im Wind, welcher durch Myriaden feinster Nadeln rauscht. Die Videoinstallation Horizontal (2011) ist das um neunzig Grad gekippte, annähernd lebensgroße Portrait eines einzelnen Baumes. Nicht nur für diese Arbeit gilt: Ein wohliges Schwindelgefühl erfasst denjenigen, der sich auf die multidimensionale Komplexität der Welt Eija-Liisa Ahtilas einlässt.

Angesichts der selbst gestellten Herausforderung, eine über vierzig Meter hohe Fichte in das Rechteck ihres Kamerasuchers einzupassen, sah Ahtila zunächst nur zwei Möglichkeiten: Sie aus einiger Ferne im Kontext einer Landschaft einzufangen, oder aus nächster Nähe. Dann aber wäre die schöne, gleichmäßige Gestalt des Baumes durch perspektivische Verzerrung stark verkürzt worden. Die Künstlerin entschied, ihn mittels einer Hebebühne in sechs Ausschnitten abzufilmen. Das Resultat ist ein filmisches Portrait – so einfach und selbstverständlich, wie fremdartig. Das Beispiel des Baumes zeigt: Es ist eine spezifisch menschliche ‚perspektivische Verzerrung’, die unseren Blick auf die Welt determiniert.

Im Rahmen ihres vielschichtigen Werks hat die finnische Film- und Videokünstlerin Eija-Liisa Ahtila immer wieder die Relativität unserer Wahrnehmung zum Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Das Medium Film ermöglicht es uns, die Welt so abzubilden, wie wir sie sehen. Doch birgt es zugleich das Potential, unterschiedlichste, simultane Perspektiven auf ein und dieselbe Realität zu erschließen.

Der Anthropozentrismus stellt den Menschen ins Zentrum der Welt. Doch wie weit kann unser Weltverständnis reichen, wenn unsere Wahrnehmung auf spezifisch menschliche Sinne beschränkt ist? Ebendieser Frage widmet sich Ahtilas neuestes Werk Studies of the Ecology of Drama (2017). Stilistisch an einen pädagogischen Lehrfilm erinnernd, präsentiert es spielerische ‚Übungen’ neuen Sehens – und führt uns Schritt für Schritt heraus aus unseren anthropozentrischen Gewissheiten, hinein in ein faszinierendes ‚terrain vague’. Wie sich zeigen wird, beherbergt selbst eine unauffällige kleine Baumschule in Finnland einen ganzen Mikrokosmos alternativer Welterfahrungen.

Mit Me/We, Okay, Gray (1993), drei auf wenige Sekunden verdichteten Beziehungsdramen in Film Noir-Ästhetik, spannt die Ausstellung einen Bogen zurück zu den Anfängen der künstlerischen Praxis Eija-Liisa Ahtilas. In den fast 25 Jahren ihres Schaffens hat die Künstlerin unterschiedlichste Wege gefunden, unsere beengende, allzu menschliche Subjektivität aufzubrechen – und mit ihrer Kamera eine kaleidoskopische Vielfalt unterschiedlichster Wahrnehmungswelten zu erschließen.

Text: Katharina Weinstock