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Elias Canetti (1905 - 1994) und Fritz Wotruba (1907 - 1975) lernten einander 1933 in Wien im Bildhaueratelier Anna Mahlers, der Tochter von Alma und Gustav Mahler, kennen. In seiner Autobiographie "Augenspiel" beschrieb Canetti 1985 diese erste Begegnung, die zum Ausgangspunkt einer lebenslangen bewegten Freundschaft zwischen den beiden Künstlern, dem Bildhauer und dem Schriftsteller, wurde. Mehrere ausführliche Passagen widmete Canetti der Person und der Kunst Wotrubas, ein Kapitel ist mit "Geschenk eines Zwillings" betitelt - woraus der Titel von zwei Ausstellungen in der Grazer Neuen Galerie und im Skulpturenpark abgeleitet ist.

Beide Ausstellungen finden im Rahmen des Themenschwerpunkts verschiedener Grazer Institutionen zum 100. Geburtstag von Elias Canetti statt. Die von Frau Mag. Gabriele Stöger vom Fritz Wotruba-Verein, Wien, kuratierte Präsentation im Skulpturenpark (19. Juni bis 6. November 2005) ermöglicht die Auseinandersetzung mit von Canetti interpretierten Plastiken des Bildhauerfreundes. Die Neue Galerie zeigt graphische Arbeiten und Kleinplastiken von Fritz Wotruba aus dem Besitz des Fritz Wotruba-Vereins, Wien, sowie den Betonguß seiner "Großen liegenden Figur" von 1953 aus ihrer Sammlung.

Auch die Konzeption der Ausstellung in der Neuen Galerie wurde auf der Basis der Texte Canettis entwickelt. Neben der erwähnten Autobiographie ist dies sein Aufsatz "Fritz Wotruba", der 1955 in einer bibliophilen, reich illustrierten Publikation vom Wiener Rosenbaum-Verlag herausgegeben wurde. Die Charakterisierungen, mit denen Canetti dort die Werke des Freundes beschrieb, sind in der Folge von den Interpreten dieses wichtigsten österreichischen Skulpteurs des 20. Jahrhunderts immer wieder aufgegriffen worden. Im Besonderen wurde der von Canetti geprägte Begriff "Widerstand" in Texten über den Bildhauer jahrzehntelang immer wieder als Topos für das Werk, das Material und die Lebenshaltung Wotrubas verwendet.

Die Präsentation der Neuen Galerie geht über die von Canetti erwähnten Werke hinaus: Die gezeigte Graphik stammt aus dem Zeitraum von den 1920er bis in die 1970er Jahre und bietet die Möglichkeit, die Entwicklung Wotrubas von den Anfängen bis zum Spätwerk zu verfolgen. Fritz Wotruba, kurzzeitig Schüler von Anton Hanak in Wien, eigentlich aber Autodidakt, konzentrierte sein Werk auf die menschliche Figur, in deren Gestaltung er seine eigentliche Aufgabe sah. Seine frühen Figuren, in denen er sich an Künstlern wie Wilhelm Lehmbruck oder Aristide Maillol orientierte, konnte er bereits in den 1930er Jahren auf verschiedenen internationalen Ausstellungen präsentieren. Von seiner Weltanschauung und Herkunft her der Sozialdemokratie verbunden, schuf er in seinen frühen Jünglingen "proletarische Idealfiguren". Die Zeit des Nationalsozialismus verbrachte er in der Schweiz und wurde 1945 als Leiter der Bildhauerklasse an die Akademie der bildenden Künste nach Wien berufen. In seiner jahrelangen Tätigkeit als Lehrer prägte er mehrere Generationen von Schülern; er wurde eine zentrale Persönlichkeit des Kunst- und Kulturbetriebes in Österreich und fand auch international Anerkennung. In Auseinandersetzung mit der internationalen Moderne entwickelte er nach 1945 eine sehr persönliche Form der Abstraktion. Zunehmend löste er sich vom Anatomischen und baute die Figuren aus Kuben, Blöcken oder Röhrenformen auf - eine Arbeitsweise, die Parallelen zu architektonischen Gestaltungsweisen aufweist. Diese Neigung zur Architektur konnte er 1967 im Bau der Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Wien-Mauer auch in ein tatsächliches Bauwerk umsetzen. Im internationalen Kontext ist Fritz Wotruba am ehesten mit Künstlern wie Alberto Giacometti, Marino Marini oder Henry Moore zu vergleichen. Wie sie gehörte er zu einer Generation, die den so genannten Pionieren vom Beginn des 20. Jahrhunderts nachfolgte, und wie sie gilt er als "Klassiker" der neuen Plastik.

Wotrubas Zeichnungen, Aquarelle und Pastelle stehen jeweils in engem Kontext mit dem bildhauerischen Werk. Das Medium der Graphik diente ihm einerseits zur Klärung der plastischen Idee, die er meist direkt in den Stein übertrug. Andererseits setzte er es zum spontanen Festhalten einer Idee ein und schätzte an ihm die Möglichkeit, die Unmittelbarkeit der Inspiration und Improvisation zum Ausdruck zu bringen.

Zur Eröffnung der Ausstellung werden die Herausgeber Kurt Bartsch und Gerhard Melzer das Buch "Zwillingsbrüder. Elias Canetti und Fritz Wotruba" (Sonderzahl Verlag, Wien, 2005) präsentieren. Es enthält neben den Texten Canettis über Wotruba bislang unveröffentlichte Briefe Canettis an Wotruba, einen Aufsatz von Gabriele Stöger über diese Künstlerfreundschaft, sowie zahlreiche Abbildungen.

Pressetext

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Elias Canetti und Fritz Wotruba - Zwillingsbrüder
Graphik und Kleinplastik von Fritz Wotruba
Kuratorinnen: Gudrun Danzer, Gabriele Stöger