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Als Else Lasker-Schüler vor nunmehr über 61 Jahren in Jerusalem starb, erschienen nur wenige Nachrufe - und die in englischer Sprache. In ihrer Heimat Deutschland waren noch immer die Nationalsozialisten an der Macht. Vor ihnen war die Dichterin 1933 als unwillkommene Emigrantin in die Schweiz geflohen, deren Behörden nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs 1939 ihre Rückkehr von einer Palästinareise nach Europa verhinderten.

Die Werke Else Lasker-Schülers hatten die deutschen Machthaber schon 1933 öffentlich verbrennen lassen. Durch Vorträge und Schriften habe sie versucht, "den seelischen und moralischen Wert der deutschen Frau verächtlich zu machen", hieß es 1938 in der Begründung der Gestapo zum Ausbürgerungsantrag. Dass Else Lasker-Schüler, die schon damals von Kennern als größte deutsche Dichterin angesehen wurde, den Nazis nicht nur als Jüdin, sondern auch als moderne Frau ein Dorn im Auge war, dürfte heute kaum noch bekannt sein.

Else Lasker-Schüler setzte sich mit den unter-schiedlichsten politischen Problemen auseinander und feierte in ihren Liebesgedichten eine autonome weibliche Erotik. Auch das war neu und subversiv, galten doch Frauen nach viktorianischen Vorstellungen als asexuell und hatten sich passiv vom männlichen Begehren leiten zu lassen. Einige Schriftsteller der Jahrhundertwende, die die Sexualität der Frau im Zeichen des Naturalismus und der Dekadenz feierten, delektierten sich an der Erfindung des "triebhaften und sündigen Weibes", das als "Vamp" oder "Vampir" Angst einflößte. Eine Selbstdefinition von Frauen war weitgehend ausgeschlossen.

Else Lasker-Schüler, die sich oft verliebte, machte die Männer, die teils irritiert oder erschrocken reagierten, zu Objekten ihrer dichterischen Inspiration, sie machte sie gleichsam zu "Musen", und kehrte damit das herkömmliche Geschlechtermodell um. 1909 schnitt sie ihr langes dunkles Haar zum Pagenkopf. Sie nannte sich nun nach dem biblischen Josef "Jussuf, Prinz von Theben". Eine männliche Rolle, die sie zugleich schützen und erhöhen sollte. Nach ihrer Scheidung von Herwarth Walden 1912 begann sie, ein Bohèmeleben zu führen, tagsüber in Cafés und nachts in billigen, möblierten Zimmern. Sie provozierte durch ihren Habitus. Wie Gottfried Benn berichtete, habe sie "extravagante weite Röcke oder Hosen, unmögliche Obergewänder" getragen, Hals und Arme "mit auffallendem, unechtem Schmuck behängt" und trug "Ketten, Ohrringe und Talmiringe an den Fingern". Betont weibliche Kleidung lehnte sie ab, bei Lesungen zeigte sie sich in einem phantastischen Hosenkostüm und mit silbernen Stiefeletten.

Als Else Lasker-Schüler entwurzelt im Jerusalemer Exil starb, waren ihre Gedichte, Dramen und Prosatexte in Deutschland aus dem öffentlichen Bewusstsein verbannt. Sie blieben es auch in der jungen Bundesrepublik noch eine lange Zeit. Nun widmet sich eine Ausstellung der Ernst Barlach Gesellschaft einer der großen Zeitgenossinnen des Bildhauers: Die Ausstellung: "Der Prinz von Theben" spiegelt in Kunstwerken, Fotographien und Dokumenten Leben und Werk dieser klugen, politisch wachen und widerspenstigen Frau, die sich eingemischt hat, wann immer und wo es ihr passte. Else Lasker-Schüler, die bedeutendste expressionistische Lyrikerin deutscher Sprache war eine unbequeme Frau, die zeit ihres Lebens gegen den Strom bürgerlicher Konventionen angelebt und angeschrieben hat. In einer sich heute weitgehend verfestigten Sichtweise gilt Else Lasker-Schüler immer noch als eine Dichterin, die vor der harten Wirklichkeit in die poetischen Traumwelten ihrer Phantasie floh. Wenig Interesse dagegen findet nach wie vor eine Rezeptionsweise, die sich bewusst macht, dass jede Beschäftigung mit den Texten und Zeichnungen der Künstlerin als Gegenstand nur etwas Vorläufiges, noch nicht Abgeschlossenes haben kann, denn alle Werke der Künstlerin waren im Werden begriffen, waren eingebettet in gesellschaftliche Prozesse, deren Veröffentlichung zwar eine Zäsur, aber keinen unüberholbaren Abschluss bildete.

"Der Prinz von Theben" ist eine Ausstellung der Ernst Barlach Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Else Lasker-Schüler Archiv der Stadtbibliothek Wuppertal und zahlreichen Leihgebern, denen wir von Herzen danken. Wir bedanken uns außerdem bei dem Förderkreis der Ernst Barlach Gesell-schaft und dem Förderverein für das Ernst Barlach Museum Ratzeburg e.V., die mit Ihrer Unterstützung die Arbeit der Ernst Barlach Gesellschaft ermöglichen.

Pressetext

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Der Prinz von Theben
Else Lasker-Schüler
Dichterin, Zeichnerin, Rebellin