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Eröffnung: Freitag, 06. Juni 2008, um 19:00 h

Ergin Çavuşoğlu (*1968) gilt zur Zeit als einer der interessantesten Videokünstler in Großbritannien. Seine Videoinstallationen reflektieren die komplexe und immerzu wandelnde Migration von Menschen zwischen Orten und Ländern. Oft in Häfen, Flughäfen und auf Märkten gefilmt, behandeln seine Videos Themen von Reise und der Prozess von Bewegung, der unsere Realität bestimmt. Dadurch erzählen sie auf lyrische Weise von den persönlichen Erfahrungen Einzelner innerhalb einer breiteren kollektiven Geschichte.

Die Präsentation seiner Arbeiten im Kunstverein Freiburg wird Ergin Çavuşoğlus erste Einzelausstellung in Deutschland sein. Sie zeigt drei Videoprojektionen als Hauptarbeiten, eine neue Skulptur und eine Auswahl von acht großformatigen Zeichnungen. Çavuşoğlu experimentiert mit der Präsentationsart von großformatigen Videoinstallationen in Kombination mit anderen Medien wie beispielsweise Skulptur oder Zeichnung.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Arbeit Point of Departure, 2006, die in zwei Flughäfen, Stansted in Südengland und Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste, gefilmt wurden. Als gegen­sätzliche Enden des europäischen Kontinents begriffen, werden die zwei Orte subtil getrennt und neu zusammengeführt. Nach und nach bemerkt der Betrachter Details von Farben, Kleidung und Sprache, welche die zwei Orte unterschiedlich charakterisieren. Point of Departure thematisiert den Flughafen sowohl als architektonische Struktur, als Maschine die Reisende prozessiert als auch als ästhetische Räumlichkeit.

So wie Point of Departure, weist auch Adrift, 2006 eine komplexe, vielschichtige Struktur von Zeit, Ort und Mobilität auf. Diese Arbeit entfernt sich von den Andeutungen zum film noir in Çavuşoğlus Frühwerk und bewegt sich hin zu Beobachtungen, welche dennoch ein gewisses Unbehagen erzeugen. Sie scheinen keine bewusste Beziehung zwischen den vom Künstler ausgesuchten Orten herzustellen – Centraal Station in Antwerpen und Carnegie Hall in New York, sowie dessen äußeren Stadtgebieten und Rhode Island. Eine eindeutigen Handlung fehlt zugunsten einer Serie selbstständig wirkender Randerscheinungen, die aus einem Zugfenster gefilmt sind. Diese verbildlichen Çavuşoğlus Vorstellungen darüber, wie der Stadtraum und dessen Umgebung kodiert werden könnten.

Silent Glide, 2008 porträtiert die Dynamik, die Verflechtung und die Spannung in einer Paarbeziehung, sowie die wachsende moralische Inkompatibilität der zwei Betroffenen. Das Konzept basiert leicht auf Leo Tolstois Memoiren „Meine Beichte“, worin der Autor seine inneren Kämpfe und die Suche nach dem philosophischen Sinn des Lebens beschreibt. Die Szenen, die von der absteigenden Spirale der Paarbeziehung erzählen, spielen vor der trüben Industrielandschaft von Hereke, Türkei. Ehemals berühmt für die Produktion herausragender Seidenteppiche, sprich eine Adresse für Edle und Reiche, ist diese Landschaft heutzutage vom Unheil der Zementfabrik und des Frachterhafens geprägt. Die Mischung und der starke Kontrast zwischen Geschichte und Modernität, zwischen Ästhetik und Irritation bzw. deren Koexistenz in einer absurden Harmonie verdeutlichen die Themen, die im Film untersucht werden.

Die neue Skulptur Place after Place, 2008, bestehend aus farbigem Aluminium, wird neben seiner Videoinstallation Point of Departure präsentiert. Von den drei Kisten, die ineinander platziert sind, misst die äußere 160 x 90 x 90 cm, d.h. eine Größe, die auf das cineastische Verhältnis 16 x 9 Bezug nimmt. Die anderen Kisten sind proportional kleiner. Das Werk reflektiert die Architektur und die Räumlichkeiten in Çavuşoğlus Videoinstallationen.

Die acht großformatigen Zeichnungen stellen eine Auswahl dar. Jede Zeichnung nimmt einen indirekten Bezug zu den Themen, die in den Videoinstallationen untersucht werden: der Raum, den wir bewohnen und in dem wir leben, die Grenzen, mit denen wir leben und die wir uns selbst setzen.

Ergin Çavuşoğlu wurde 1968 in Bulgarien in einer türkischen Gemeinde geboren. In den frühen 80er Jahren studierte er Bildende Kunst an der National School of Fine Arts 'Iliya Petrov' in Sofia. Er erhielt den BA in Wandmalerei an der Universität von Marmara in Istanbul und erwarb 1995 den MA von Goldsmiths in London, wo er seitdem lebt und arbeitet.

2003 vertrat Ergin Çavuşoğlu die Türkei auf der 50. Venedig-Biennale, außerdem nahm er an der 8. Istanbul-Biennale teil. 2004 beteiligte er sich an der 3. Berlin Biennale. Im selben Jahr bekam er große öffentliche Aufmerksamkeit als er für den wichtigen Preis ‚Becks Futures’ vorgeschlagen wurde. 2005 stellte er an der British Art Show 6 aus. Seine erste große Einzelausstellung in Großbritannien wurde 2006 in der John Hansard Galerie in Southampton und in der Northern Gallery for Contemporary Art in Sunderland gezeigt.

Zum ersten Mal wird ein türkisch stämmiger Künstler im Kunstverein Freiburg präsentiert. Bei dieser Gelegenheit möchten wir ins besondere die türkische Bevölkerung Freiburgs ansprechen und veranstalten mit türkischen Kulturorganisationen ein Gespräch mit Ergin Çavuşoğlu auf türkischer Sprache. Im Laufe der Ausstellung wird eine Publikation mit Ausstellungsansichten erscheinen.

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Ergin Cavusoglu
Place after Place