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Das Kunstmuseum Basel widmet Ernst Ludwig Kirchner eine grosse Sonderausstellung, welche die frühen Schaffensjahre in Davos fokussiert. Rund 130 Werke, insbesondere Gemälde, aber auch Arbeiten auf Papier, Skulpturen, Fotografien und Bildteppiche zeigen auf, wie Kirchner nach Giovanni Segantini und Ferdinand Hodler zum dritten grossen Erneuerer der Malerei der Alpen wurde. Die Exponate stammen aus verschiedenen europäischen und ameri-kanischen Privat- oder Museumssammlungen, so u.a. den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, den Staatlichen Museen zu Berlin, dem Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, dem Detroit Institute of Arts und dem Busch-Reisinger Museum Cambridge (USA). Der deutsche Expressionist kam 1917 zu einem Erholungsaufenthalt nach Davos, um schliesslich bis zu seinem Tod 1938 zu bleiben. Von den Kriegsjahren körperlich und seelisch zerrüttet, verschaffte die Bergwelt allmählich Erholung, bildete aber vorab eine schockartige Herausforderung, die sich künstlerisch als äusserst ergiebig erwies. Kirchner begegnete seiner neuen Umwelt, der grandios-monumentalen Gebirgs-landschaft und der naturverbundenen Lebens- und Arbeitsweise der Bergbauern vorerst noch mit nervösen Pinselstrichen und dynamischer Bewegtheit, wie sie seine Berliner Bilder prägten. Diese innere Erregung legte sich mehr und mehr zugunsten einer gefestigten und beruhigten Naturdarstellung in ornamentalere Bildstrukturen und kräftige Pinselbahnen. Der Hauptakzent der Ausstellung liegt auf den Landschafts-bildern, die immer in genauer Beobachtung, im eigenen Erlebnis der umliegenden Wirklichkeit wurzeln, aber doch zu einer freien Ausdrucksform des Fantastischen gelangen, die sich gegenüber einer realistischen Abbildhaftigkeit freisetzt. Dies kommt insbesondere in einem eigenwilligen Kolorismus zur Geltung. Kirchner schrieb über dieses Spannungsfeld am 26. Dezember 1918: „Ich sehne mich so danach, aus der reinen Phantasie Arbeiten zu machen, was man so in Träumen sieht, aber der Eindruck der Wirklichkeit ist so reich hier, dass deren Gestaltung alle Kräfte auffrisst... Die Landschaft ist doch auch im Winter herrlich schön, ich versuche die Farbe des Schnees und die durch ihn geformte seltsame Gestalt des Menschen und der Tiere.“ Gerade die Unvertrautheit mit der imposanten Bergwelt legt den Grundstein für die Authentizität von Naturerlebnis und innovativer künstlerischer Form. Dies geschaffen von einem Künstler, dessen Berliner Strassenbilder am Nerv der anonymen Gross-stadtdynamik motivische Antithesen sind, und der nun zurückgezogen unter den Bauern lebt, teilweise auf einer Alp weitab von den Hans-Castorp-Zirkeln der Sana-torien von Davos, die Thomas Mann in seinem Roman Der Zauberberg verewigt hat. Von seiner neuen Bildwelt zeugen ebenfalls Interieurs, die vor allem seine Wohn-stätten widerspiegeln, sowie eine Reihe von bedeutenden Selbstbildnissen, begleitet von anderen Figurenbildern, wie Porträts von bäuerlichen Nachbarn oder Besuchern. Meist bindet sich aber das Leben von Mensch und Tier kleindimensioniert und eher chiffrenhaft ein in den grösseren Zusammenhang des Bildorganismus. Die Ausstellung endet mit Werken aus den Jahren 1925-26, als Kirchner nach zehn Jahren erstmals zurück nach Deutschland reiste und so seine Einheit mit der natur-bezogenen Lebenswirklichkeit verliess. Damit beginnt eine neue Etappe seines künst-lerischen Schaffens, die von anderen Einflüssen geprägt ist. Deutlich wird, dass Kirchner in Davos nicht nur in der Malerei Meisterwerke wie Wintermondlandschaft, 1919, oder Selbstporträt mit Katze, 1920, schuf, sondern auch ausdrucksstarke Holzskulpturen wie Adam und Eva, die den Eingang zum Wildbodenhaus flankierten, fulminante druckgrafische Blätter und – was man kaum kennt – Fotografien. Diese thematisch auf das Bergleben eingegrenzte Ausstellung ergänzt auf ideale Weise einerseits die Kirchner-Retrospektiven in Washington und London, die sich auf Kirchners Jahre in Dresden und Berlin konzentriert haben, andererseits die Ausstellungen zur Plastik Kirchners in Davos und Stuttgart. Die Ausstellung in Basel will nicht nur Kirchners Revitalisierung des ganzen Alpengenres aufzeigen, sondern auch klarlegen, dass seine existenzielle Auseinandersetzung mit der Schweizer Bergwelt zu einem neuen künstlerischen Höhepunkt führte. Gleichzeitig will die Ausstellung auch Referenz sein an die Kirchner-Rezeption des Kunstmuseums Basel, besitzt doch das Haus nicht nur wichtige Werke aus dieser Schaffensphase, sondern betreute unter Georg Schmidt von 1945 bis 1954 den Nachlass Kirchners. Pressetext

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Ernst Ludwig Kirchner – Bergleben
Die frühen Davoser Jahre 1917-26
Kurator: Bernhard Mendes Bürgi