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Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) steht wie kein anderer Künstler für den Aufbruch der Moderne in Deutschland. 1905 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergruppe „Brücke“ in Dresden. Kirchner und seine Malerkollegen versuchten, durch ihre expressive Ästhetik das Wesen der Dinge freizulegen. Auch nach der Auflösung der Gruppe 1913 arbeitete Kirchner unermüdlich weiter, zeigte das hektische Treiben der Metropole Berlin und später, ab 1917, die Schweizer Bergwelt bei Davos, wo er bis zu seinem Freitod 1938 lebte. Sein vielschichtiger Stil, der mal von kantigen, groben Formen, mal von weichfließenden Linien oder grellen Farben geprägt ist, fasziniert noch heute durch seine Eindringlichkeit und den psychologischen Gehalt der Motive.

Die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum führt vor Augen, dass sich diese bildnerische Revolution nicht auf Kirchners Malerei beschränkt, sondern in besonderem Maß Widerhall in seinem druckgraphischen Schaffen findet. Sie zeigt Kirchners intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Techniken, wie dem Farbholzschnitt, der Radierung oder der Lithographie. Dabei nutzte er die spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Drucktechniken, um seine ästhetische Sprache zu entwickeln. Anders als für die meisten Künstler war die Druckgraphik für ihn kein Mittel zur Vervielfältigung seiner Bildideen, sondern eine eigenständige Kunstform. Den Großteil der Drucke zog Kirchner in geringer Auflage selbst ab. Von Abzug zu Abzug experimentierte er mit Farbe und Motiv, sodass jedes Blatt einem Unikat gleichkommt. Häufig wies er sie explizit als „Eigendruck“ oder „Handdruck“ aus.

Wissenschaftlicher Ausgangspunkt für Kirchner. Das expressionistische Experiment ist das neu erscheinende Gesamtverzeichnis des druckgraphischen Werks von Ernst Ludwig Kirchner. Der Hamburger Professor für Biochemie und Sammler Günther Gercken gewann im Lauf vieler Jahre neue Erkenntnisse über Kirchners Vorgehen, die schließlich zu Umdatierungen und Neubetitelungen in einem Werk führten, das längst erschlossen schien. Mit seinem auf sieben Bände angelegten Werkverzeichnis wird nun Kirchners expressionistisches Experiment erneut zur Diskussion gestellt.

Die Ausstellung vereint rund 130 oft großformatige und starkfarbige Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Lithographien aus der weltweit bedeutenden Sammlung des Brücke-Museums Berlin, das einen der größten Kirchner-Bestände verwahrt. Ergänzend werden einige Gemälde aus deutschen Privatsammlungen gezeigt, um an ausgewählten Gegenüberstellungen das Verhältnis von Druckgraphik und Malerei zu befragen.

Der Katalog zur Ausstellung mit Beiträgen von Alexander Eiling, Günther Gercken, Regina Klein, Magdalene Schlösser und Rainer Schoch erscheint im Hirmer Verlag, München (238 Seiten mit farbigen Abbildungen aller ausgestellten Werke, 39 € in der Ausstellung).

In Kooperation mit dem Brücke-Museum Berlin, wo ein Teil der Werke bis zum 18. Mai unter dem Titel Ernst Ludwig Kirchner – Meister der Druckgrafik gezeigt wird.

Die Ausstellung wird gefördert von Claus und Annegret Budelmann.