artist / participant

curator

press release only in german

Esra Ersen arbeitet mit verschiedenen Medien wie Video, Installation oder Fotografie. Ihre Arbeiten vermitteln die Domäne des Sozialen durch den Prozess der intimen Begegnung. Ersen´s Praktik entsteht aus der Mitte der Begegnungen und Dialoge, die sie auslöst. Die Künstlerin teilt Zeit, Raum und Erfahrungen mit den Protagonisten ihrer Werke, wobei die sozialen Phänomene, die sie zu fokussieren sucht, gedeihen. Mit anderen Worten, Begriffe wie Integration, Erneuerung, Gentrifizierung, Rehabilitation, soziale Demokratie und Machterhalt werden in Frage gestellt, indem Ersen sich selbst in Beziehung setzt zu Gemeinschaften, die unter dem Einfluss eben solcher Begriffe stehen. Nach einer bestimmten Zeit der Vorbereitung, in der sich die Künstlerin mit der Recherche zu den von ihr gewählten Themen und deren Bedingungen befasst, sucht sie nach Personen und Individualitäten, welche zu jener Gemeinschaft gehören, die sie sich für ihre Arbeit ausgesucht hat. Die Vorstellung von Gemeinschaft, ihre Grundlagen und Bedingungen vermitteln sich durch das Verbale und Visuelle, welche soziale, politische, wirtschaftliche, psychologische, sinnliche und physische Aspekte zum Vorschein bringen.

In ihrer ersten Einzelausstellung in Berlin zeigt Esra Ersen vier Arbeiten, von denen eine von TANAS in Auftrag gegeben wurde. Reisende( 2009) handelt von einer bestimmten sozialen Bedingtheit in Istanbul. Angeregt durch einen Zeitungsartikel über Menschen, die seit vierzig Jahren in Istanbul leben aber noch nie den Bosporus gesehen haben, begann Ersen die Gründe dieses Phänomens zu untersuchen. Sie nahm Kontakt zu einer Gruppe von Frauen auf, die seit mehr als dreißig Jahren in Istanbul leben, ihren Bezirk aber noch nie verlassen haben. Die Künstlerin nimmt diese Frauen, begleitet von ihren Kindern und einigen männlichen Verwandten, mit zum Bosporus. Die daraus entstandene Videoarbeit besteht aus zwei Leinwände: auf der einen sieht man den Weg, den der Bus zum geplanten Ziel nimmt, während die andere die Straßen des Wohnbezirks der Frauen zeigt und dabei signifikante Einzelheiten hervorhebt. Die Arbeit wurde in der Zeit des Vorwahlkampfes in Istanbul produziert, als die Flaggen und Banner der Parteien den öffentlichen Raum ein nahmen und besonders deutlich in jenen Bezirken sichtbar waren, wo das soziale Habitat eng umgrenzt ist. Daher ist die Arbeit eine metaphorische Reise zum Meer und enthüllt die politischen und sozialen Spannungen durch das Visuelle.

In der Ausstellung sind drei weitere konsequente Arbeiten der Künstlerin zu sehen, die von der Liverpool Biennale, der Biennale von São Paolo und für das Projekt In 2052 Malmö will no longer be Swedish des Rooseum Center for Contemporary Art in Malmö in Auftrag gegeben wurden.

Perfect /Growing Older (Dis)Gracefully (2006) entstand aus der direkten Begegnung zwischen Esra Ersen und Helen, einer langjährigen Einwohnerin von Liverpool. Die Künstlerin untersucht hier den Begriff der Regeneration, indem sie Helen mit Neuerungen in Berührung bringt, welche allmählich die Gepflogenheiten Helens im Umgang mit der Stadt und ihre Beziehungen zur Stadt verändern. In ihrer Arbeit Rehabilitation (2006) stellt Ersen acht Jacken aus, die in São Paolo zusammen mit Mitgliedern einer aktiven Straßengang produziert wurden, die ein Rehabilitationsprogramm des Staates durchläuft. Die Jacken sind mit Sätzen von Gangmitgliedern beschriftet, die ausdrücken, was sie der Gesellschaft, in der sie leben, zu sagen haben. Die Jacken wurden jeweils als Paar produziert, so dass eine weiterhin von den Gangmitgliedern getragen werden kann, während das Gegenstück zum Kunstobjekt wird und den Prozess repräsentiert.

Parachutist in Third Floor, Birds in Laundry (2005) ist das Ergebnis einer zweijährigen Recherche und zugleich eine Fallstudie über die Funktionsweisen einer sozialen Demokratie und deren Kontrollmechanismen, sowie deren Umgang mit Immigrantengemeinschaften. Diese Drei-Kanal Videoarbeit beleuchtet nicht nur die Vorstellungen und Imaginationen, die entstehen, um Gemeinschaft zu formulieren und die Normen der Zugehörigkeit zu begründen, sondern auch die zu erwartende Zukunft jener Immigranten, welche nun in den Mietskasernen wohnen, die einst in den sechziger Jahren für die schwedische Arbeiterklasse gebaut wurden.

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl des Werkes von Esra Ersen, die nicht nur die Methodik und Arbeitsweise der Künstlerin aus unterschiedlichen Perspektiven sichtbar macht, sondern auch die Vielfalt ihrer Untersuchungen von unterschiedlichen sozio-politischen Gegebenheiten.

only in german

Esra Ersen
Passengers
Kuratorin: René Block