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Eröffnung: 11. Dezember 2008, 19 Uhr

Die Gruppenausstellung „Experimenta FOLKLORE“, die vom 12. Dezember 2008 bis zum 1. März 2009 im Frankfurter Kunstverein gezeigt wird, beschäftigt sich mit dem Phänomen der Folklore als musikalisches Element in der zeitgenössischen Kunstproduktion. Der Titel des Projekts verweist auf die „Experimenta“- Serie, ein internationales, experimentelles und spartenübergreifend konzipiertes Theaterfestival, das in den 1970er Jahren in Frankfurt gegründet wurde und als wichtiger Impulsgeber für die damalige experimentelle Musikszene galt.

Der Begriff Folklore beschreibt nicht nur ein Genre der populären Musik, sondern darüber hinaus die Gesamtheit aller volkstümlicher Überlieferungen von Ritualen, Volkstänzen über Märchen bis hin zu Kunsthandwerk oder volkstümlicher Kleidung. Folklore kann mythisch gefärbt sein und sich gleichzeitig mit den weltlichen Traditionen des Alltags und der Bedeutung der Hochtechnologie der postmodernen Welt auseinandersetzen. Die Idee des Projektes ist, auf humorvolle Weise das Verständnis von Musik in Tradition und Moderne durch Installationen und Auftritte verschiedener Künstler (-gruppen) mit selbstgebauten Instrumenten und Kostümen zu erzählen. Im Vordergrund stehen dabei nicht die technischen Errungenschaften in der Erforschung von Klangquellen und Komposition, sondern vielmehr die Untersuchung von musikalischen Anthologien und die Neuinszenierung von popkulturellen Events, Traditionen, Stilen und Mythen.

So stellen einige der in der Ausstellung vorgestellten Künstler Fragen nach der Bedeutung traditioneller Brauchtümer, Reime, Riten und Harmonien in unserem Hochtechnologiezeitalter. Sowohl urbane Bedingungen als auch Situationen aus der Tier- und Pflanzenwelt sind Thema. Kinderreime und Geistergeschichten werden ebenso thematisiert wie Gerüchte und Verschwörungstheorien. „Experimenta FOLKLORE“ präsentiert neben Arbeiten von Künstlern wie Olaf Breuning oder Jim Shaw zahlreiche Arbeiten junger noch wenig bekannter Positionen, von denen einige speziell für das Projekt produziert wurden. Im Zusammenspiel der miteinander korrespondierenden Werke, fungieren die musikalischen Elemente von Folklore als künstlerische Sprache, die Mittel und Wege aufzeigt, alltägliche Geschehnisse zu dokumentieren, Geschichten am Rande der Gesellschaft zu erzählen, soziale Ungleichheit zu dechiffrieren oder auch kulturelle Grenzen zu überwinden.

Das „Folk Archiv“ (1999-2005) von Jeremy Deller und Alan Kane – eine Sammlung zeitgenössischer Volkskunst aus Großbritannien – beispielsweise besteht unter anderem aus Fotografien und Objekten von Karnevalsgruppen, Popfans, oder Transparenten von Demonstranten. Das Archiv präsentiert ein aktuelles Bild der britischen Volkskunst im Licht der gegenwärtigen sozialen, technischen und kulturellen Entwicklungen und hinterfragt dabei auch geltende Ausstellungskonventionen. Ein Werk des kalifornischen Künstlers Jim Shaw „Thrift Store Paintings“ (1974-2004) operiert hingegen mit der Aneignung unterschiedlichster Wahrnehmungen von Umwelt durch die Präsentation einer Gemäldesammlung mit Arbeiten unbekannter Künstler und Sonntagsmaler. Das englische Künstlerkollektiv juneau/projects/ wiederum beschäftigt sich auf humorvolle karikierende Weise mit Initiationsritualen urbaner Großstadt-Gangs wie der Skateboarding-Bewegung.

Indem er früherer Arbeiten mit einer besonderen Form brasilianischer Straßenmusik der „repentistas“ (Vorläufer des Rap) musikalisch überlagert, setzt sich der japanische Künstler Shimabuku, der in Berlin lebt und arbeitet, mit dem Zusammenwirken von Tradition und Moderne auseinander. Seine Zweikanal-Installation „Asking the Repentistas - Peneira & Sonhador - to remix my octopus works“ entstand im Jahr 2006 im Laufe seines Aufenthaltes in der brasilianischen Millionenmetropole São Paulo in enger Zusammenarbeit mit den beiden Straßenmusikern Peneira und Sonhador. Diese verweben in ihrem Gesang improvisierter Reime gemeinsame kulturelle Elemente Japans und Brasiliens: die Erfahrungen des japanischen Immigranten, Künstlers und Oktupus-Fischers Shimabuku mit ihren besonderen Geschichten aus São Paulo aus Sicht der diskriminierten brasilianischen Binnenmigranten.

Der Schweizer Künstler Olaf Breuning präsentiert mit seinem Film „Home 2“ (2007) eine Persiflage auf den modernen Ethnotourismus. Er greift mit grotesken selbstironischen Aktionen beispielsweise in speziell für den „Dritte-Welt-Tourismus“ inszenierte indigene Ritualtänze ein und führt so die ganze folkloristische Szene auf humorvolle Weise ad absurdum.

„Experimenta FOLKLORE“ präsentiert Werke von Olaf Breuning, Sung Hyung Cho, Factotum, Jeremy Deller & Alan Kane, Uroš Djuric, Michael Dreher, Lilian Franck, Andy Holden, Honey-Suckle Company & Konrad Sprenger, Dani Jakob, juneau/projects/, Johanna Kandl/ H.&J. Kandl, Kostüm Total (Alexander Györfi & Peter Holl), Thomas Kratz, Arto Lindsay, f.marquespenteado, Jonas Ohlsson, Marie-Clémence & Cesar Paes, Georges T. Paruvanani, Claus Richter, Duncan Ross, Jim Shaw, Shimabuku und Nicole Wermers.

Teil der Ausstellung ist ein umfangreiches Filmprogramm, das neben einer Reihe von Dokumentarfilmen, eingebettet in den Ausstellungsrundgang, auch zwei separate Filmvorführungen beinhaltet: den Film „Rock My Religion“ (1982-84) von Dan Graham sowie den Film „De Lama Lâmina“ (2004) von Matthew Barney.

Begleitend zur Ausstellung wird eine von Duncan Ross gestaltete Publikation in Magazinformat veröffentlicht, die durch die freundliche Unterstützung der Georg und Franziska Speyer'sche Hochschulstiftung ermöglicht wurde.

Kurator der Ausstellung: Tobi Maier

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Experimenta FOLKLORE
Kurator: Tobi Maier

Künstler: Olaf Breuning, Sung Hyung Cho, Factotum , Jeremy Deller & Alan Kane, Uros Djuric, Michael Dreher, Lilian Franck, Andy Holden, Honey-Suckle Company & Konrad Sprenger, Dani Jakob, juneau/projects/, Johanna Kandl / Helmut Kandl & Johanna Kandl, Kostüm Total  (Alexander Györfi & Peter Holl), Thomas Kratz, Arto Lindsay, f.marquespenteado , Jonas Ohlsson, Marie-Clemence & Cesar Paes, Georges T. Paruvanani, Claus Richter, Duncan Ross, Jim Shaw, Shimabuku , Nicole Wermers