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Fabio Zolly – Rivista

Der Titel der Werkschau von Fabio Zolly – Rivista (ital. für Zeitschrift, übersetzbar auch mit Rückschau) – spielt mit der Spannung zwischen einer Retrospektive auf ein abgeschlossenes OEuvre und einer Anspielung auf das schnelllebige Medium der Zeitschrift. Zu fragen ist dabei, ob diese Spannung von Dauer und Flüchtigkeit nicht auch einen Wesenszug von Zollys Werk ausmacht.

An dessen Anfängen steht ein Blick in den Himmel: Zolly malt auf Reisen flüchtige Wolkenformationen (in der Flüchtigkeit vergleichbar mit seinen Videoaufnahmen von Flugzeugschatten). Dem gegenüber findet sich ein radikaler Perspektivwechsel von oben nach unten: der Künstler fertigt in Städten Frottagen von Kanaldeckeln an – eine Art Anti-Vedute. Die Technik der Frottage dient dabei nicht der Anregung von Imagination, sondern besitzt dokumentarischen Charakter. Gleichwohl bleibt der soziale Raum zwischen Himmel und Straße, die Stadt und ihre BewohnerInnen selber, noch ausgespart.

Eine Auseinandersetzung mit diesem urbanen Soziotop findet sich in Videoaufnahmen von Menschen auf einer U-Bahn-Rolltreppe, die augenscheinlich im Kreis fahren, oder auf Röntgenbildern von Reisekoffern. Die Kanaldeckelabriebe lösen sich von ihren vormaligen Bildträgern und werden auf Arbeiterjacken aufgedruckt – dies wirft ein Licht auf den performativen Charakter von Zollys Arbeiten voraus, die um Fragen der Identität und Autorschaft kreisen. Eine prägnante Formulierung dieser Frage stellt der Schriftzug bzw. das Zeichen Copyright (das den runden Kanaldeckeln ähnelt) dar, den/das der Künstler seit 1998 in Verbindung mit seinem Namen verwendet. Zolly erhebt damit urheberrechtlichen Anspruch auf alles, was mit diesem Schriftzug/Zeichen markiert wird – eine Form der Aneignungskunst. Je nach Kontext der Platzierung gewinnt diese Markierung eine andere Semantik: sie findet sich zwischen Straßenmüll, auf Gewand (wie T-Shirts und Signalwesten), aber auch wie ein Tattoo auf Menschen haut. Mit dem Zusatz „DO NOT CROSS“ ist sie auf Absperrbändern im öffentlichen Raum zu lesen, schließlich tritt sie in Zollys Serie der Mugshots (was soviel wie Verbrecher- oder Polizeifoto heißt) in Gestalt eines anonymisierenden Augenbalkens auf. Interessant ist dabei ein paradoxes Moment, in dem Zollys Künstlerpersönlichkeit ebenso aufgeladen wie konterkariert und hinterfragt wird. Die Flüchtigkeit des Copyright-Stempels, seine Spannung zu anonymisierten Individuen sowie die Willkür und einschränkende Wirkung seines Auftretens stellen die künstlerische Autorschaft eher in Frage, als sie sie festigen. Auf die Spitze getrieben wird dieses Moment in neueren Reisefotos von Zolly, auf denen er sich mit einem Copyright-Schild, das zusätzlich seine bloße Anwesenheit zur Kunst erklärt, das eigene Gesicht verdeckt.

- Gabriel Hubmann

* Gabriel Hubmann hat in Wien Kunstgeschichte und Philosophie studiert und ist zurzeit als freier Autor tätig. Er hat mehrere Aufsätze zu moderner und zeitgenössischer Kunst publiziert und ist Träger des Ernst-Gombrich- Nachwuchspreises 2012.

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Fabio Zolly
RIVISTA - Der Countdown läuft...

Künstler:
Fabio Zolly