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FELIX SCHRAMM. Transition

Das Fragment einer Abformung, zu einer Seite hin offen und seinen Hüllencharakter kaum verbergend, schmiegt sich an eine Negativform und lässt so nuanciert Zwischenstadien einer skulpturalen Formbildung sichtbar werden, die ihre produktive Kraft wesentlich aus Momenten des Übergangs bezieht: zwischen Volumen und Leere, Innen und Außen, homogenem Ganzen und der Heterogenität seiner Teile. Was so in der titelgebenden Arbeit als Übergänge der Form ablesbar wird, setzt elementar das Moment des Blickwechsels voraus. Das skulpturale Element wird dann als ein aus zwei Teilen zusammengesetztes erkennbar, wenn wir die Position wechseln. Damit sind wir als Betrachtende selbst zum notwendigen Teil des skulpturalen Raumgefüges geworden. Von dieser grundlegenden Konstellation ausgehend sollen drei Momente des Übergangs in den gezeigten Arbeiten adressiert werden, die mit dem Ausdruck „Transition“ ebenso programmatisch wie provisorisch – selbst nur als Übergang fassbar – benannt sind.

Übergänge der Form, die sich in einer ersten Annäherung an den Begriff des „Formlosen“ bei Georges Bataille anschließen lassen. Denn bei Bataille bezeichnet das „Formlose“ nicht die Negation von Form, sondern vielmehr das, wodurch sich dialektisch der Übergang von Form zu Form vollzieht. Ein Übergang indes, der in der Auflösung, Überschreitung und Deklassierung vorhandener Formen besteht. Freilich muss für das Formdenken Felix Schramms das Moment des Dialektischen betont werden. Denn was hier mit dem „Formlosen“ angesprochen ist, lässt sich zwar durchaus in die Nähe rücken zur vehementen Attacke Batailles gegen buchstäblich „die ganze Philosophie“: dass jedes Ding nur durch eine eindeutig zu klassifizierende Form zu definieren wäre. Vor allem aber ist es positiv gewendet das produktive Potential eines Begehrens nach dem Individuellen und Singulären, dem, was – nicht durch Begriff und Klassifikation einzuholen – sich durch Verschiebung und Übergang stattdessen in neuen Formen freisetzt.

Übergänge im Verhältnis zwischen Objekten, wie sie innerhalb des räumlichen Bezugssystems einer Skulptur auftreten und die stets mit Übergängen und Verschiebungen von Zeige- und Präsentationsweisen verbunden sind. So in „accumulated (Loop)“, wenn durch die Platzierung eines metallummantelten Skulpturfragments oberhalb der Vitrine – diese kurzerhand zum Sockel verkehrend – einerseits Zeigeweisen aktiviert, diese andererseits in ihrer vertrauten Funktion hybrid werden. Wenn darüber hinaus nicht nur das Objekt selbst durch Techniken des Faltens und Stauchens unter eine immense Spannung gesetzt scheint, sondern ruckartig-unverhofft weitere Objekte aus dem Arsenal Schramm‘schen Formdenkens aus dieser Spannung nachgerade hervorplatzen, ergeben sich zusätzliche Verschiebungen durch den Einsatz weiterer Zeigetechniken. Ein auf Metallblech kaschiertes Stück Fototapete scheint auf die gegenüberliegende Arbeit „Multilayer 334“ zu deuten, die ihrerseits auf die Ausstellung „Soft Corrosion“ im Hamburger Bahnhof (2006) Bezug nimmt. Das eigene Ins-Werk-Gesetztsein wird hier mit ins Spiel gebracht wie das Element als raumgewordenes, auf Blech gebracht und gefaltet, zugleich die Kontingenz seines Gemachtseins als Bild ausstellt. Ein Rigips-Element, das als Modell auf ein Außerhalb der Skulptur und die größeren, katastrophisch-konstruktiven Rauminterventionen verweist wie es ebenso als Fragment einer für sich stehenden Arbeiten gelesen werden mag. Nicht zuletzt transponiert es das Innerhalb des in der Vitrine Gezeigten, das einen weiteren Strang der „Intersection“-Gruppe aufnimmt.

Übergänge im Raum, bei denen der Blick selbst Teil der räumlichen Ordnung wird. So in der eingangs angesprochenen „Transition“-Arbeit im Arrangement mit Arbeiten aus der Serie „Dark Site“ im hinteren Raum der Galerie. Nicht nur changieren diese Arbeiten zwischen monolithischer Flächigkeit und quasi-vitrinenhaftem Präsentationswerkzeug für ein Diesseits und Jenseits der Fläche. Vor allem ziehen diese Arbeiten den Blick zusammen, bannen ihn mit ihren hinter Acrylglas gebrachten Kraterlandschaften aus oxidiertem Blattsilber, werfen ihn dann aber, nur einen Blick später, in den Raum zurück, stellen Blickachsen her, die stets allerdings auf dem Moment von Übergang und Wechsel der Betrachtung beruhen. Wenn dies in „Dark Site #35“ mit seinem an einer Stelle gebrochenen Acrylglas kurzzeitig zur Ruhe zu kommen, der Blick in der Öffnung einen Fixpunkt zu haben scheint, zieht die Skulptur ihn im nächsten Moment wieder weiter: von Übergang zu Übergang.

Sebastian Hammerschmidt