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In dieser Gruppenausstellung im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel zeigen sechs Künstler und Künstlerinnen internationaler Herkunft speziell ausgewählte und produzierte Arbeiten, die eine Gesamtszenerie bilden. Absurde Motive, körperlich schonungslos oder rätselhaft, hinterlassen Spuren in der Wahrnehmung der vermeintlich soliden Realität. Skulpturen, Zeichnungen und Aquarelle bespiegeln Nuancen und Spielarten des Körpers in seiner realen oder denkbaren Transformation. Die Körper in diesen Arbeiten sind Kräften der Mutation ausgesetzt: durch Verrätselung, Verdrehung, Montage, Verzerrung, Fragmentierung oder bühnenhafter Übersteigerung. Es handelt sich um Figurationen im Zustand ihrer Gefährdung.

Oft bildet die Verbindung von Objekt, Abstraktion und körperlichem Begehren eine unlösbare Symbiose. In den Arbeiten von Alina Szapocznikow, Enrico David, Kate Davis und Julian Göthe scheint dieser Fusion eine Faszination zugrunde zu liegen für die stumme Rhetorik und die statische Agilität von Designgegenständen. So beschreibt Enrico David seine Arbeit Spring Session Men, eine hölzerne ‚Chorus-Line’ grotesk tanzender männlicher Figuren gestaltet als ein Fries im Stile des Art Deco, als „formalistische Hysterie“.

In Julian Göthes Assemblage-Reliefs und Skulpturen mutieren Versatzstücke von Designgeschichte zu anthropomorphen Strukturen und Gestellen. Rationale Präzision schlägt um in Erotik. Kate Davis’ ultra-delikate Zeichnungen, wie die Applicants, sind bizarre Bewerber für eine halluzinatorische Zukunft von Gesten und Aktivitäten.

Die improvisierten Alltagsobjekte des Kubaners Diango Hernández hingegen sind zu Skulptur erhobene Relikte, Gegenstände, die gefertigt wurden, um ein kulturelles Überleben in einem restriktiven System zu sichern.

In Piotr Janas Gemälden kommen die beiden Welten von Objekt und Begehren nie zusammen. Seine organisch-kryptischen Wesen kämpfen unversöhnlich gegen dunkle Konstruktionen und Werkzeuge. Diese naiv figurierten Interieurs sind Ungeschicke, Hindernisse oder gar Aggressoren. Janas verarbeitet in seinen Bildern eine überkommene bis unangenehme surrealistische Sprache, die er gleichzeitig für unvorhersehbare offene Enden ausbeutet.

Die Polnische Künstlerin Alina Szapocznikow, die Theresienstadt überlebt hatte, studierte in der Zeit unmittelbar nach der Befreiung an der Kunstakademie in Prag, wo der Einfluss des tschechischen Surrealismus der 30er and 40er Jahre noch stark spürbar war. Schon bald aber entwickelte sie ihre eigene künstlerische Sprache, in der sie auf die internationalen zeitgenössischen Strömungen reagierte, wie sie zugleich eine kompromisslose und idiosynkratische Behandlung des Körperlichen in ihren Skulpturen und Zeichnungen hervorbrachte. Ihre zentrale Technik wurden die Abdrucke ihres eigenen und später des Körpers ihres Sohnes. So entstanden die Illuminated Lips, einfache Lampenständer, auf deren Köpfen anstatt eines Schirms die Abdrucke der sinnlichen roten Lippen der Künstlerin aufgesetzt sind. Es ist ein starker Sinn für Humor in ihren Arbeiten spürbar, der auch mit dem Pop-Spirit der 60er Jahre in Verbindung steht. Aber ihr autobiographisches Drama einer ihr Leben überschattenden Krankheit, führte Szapocznikow gleichzeitig immer wieder zurück zu einer obsessiven Behandlung des Körperlichen.

Die assoziierbaren kunsthistorischen Referenzen treten in der Ausstellung gegenüber den eigenwilligen künstlerischen Visionen in den Hintergrund. Surreale Kompositionen tauchen als ein prospektives Wissen auf, als eine perverse Freude und explosive Erzählung, die gegenläufig ist zu konventionellen Bedeutungen.

„Some movements and activities of the body might seem to be strange by now, but will become normal in the future.“ (Enrico David)

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Ralph Ubl, Manfred Hermes, Adam Szymczyk, Gesprächen von Anke Kempkes mit Enrico David und Diango Hernández, sowie Künstlerporträts von Dominic Eichler, Sarah Lowndes und weiteren internationalen Autoren.