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Eröffnung Fr., 30.1.2009, 20 Uhr

Florian Balze (*1969) tastet sich mit seinen Arbeiten seit langem an jenem dünnen Grenzstreifen entlang, der Kunst und Design, Zweckfreiheit und Nützlichkeit, Autonomie und Heteronomie trennt. Waren Balzes Objekte früher teilweise noch echte Simulacra, in dem Sinne, daß sie wie Nachbildungen historischer Fundstücke (v.a. aus dem Kontext modernistischer Baudekorationen) wirkten, die es aber nie gegeben hat, so sind sie heute nicht einmal mehr das, sondern auf verwirrende Weise vollkommen eigenständig. Sie verweisen auf keine bestimmte Epoche mehr, sondern wirken auf diffuse Weise gegenwärtig (oder zeitlos, was in diesem Fall dasselbe ist) und sehr konkret möbelhaft (bzw. dekorativ).

Der oben bezeichneten Grenze rückt Balze mit seinen neuen Arbeiten so nahe, daß sie vor dem Auge komplett verschwimmt, und selbst dem an Duchamp, Warhol usw. geschulten Betrachter fordert Balze einiges ab. Die prekäre Balance zwischen dem Autonomen und dem Funktionalen scheint immer wieder momentelang so weit zum Letzteren hinübergekippt, daß die schon grundsätzlich schwer beantwortbare Frage nach dem Kunst- oder Nicht-Kunst-Sein von Dingen und nach der Abhängigkeit ihres Status von Setzungen und Konventionen, von räumlichen und institutionellen Ordnungen, in der radikalen Negation ihrer Beantwortbarkeit bis zur Kenntlichkeit entstellt wird.

Natürlich behaupten die Objekte ihre Funktionalität nur, gewissermaßen rhetorisch, aber dafür umso exzessiver, so dass zunächst kaum Raum bleibt, sie im eigentlich naheliegenderen kunstimmanenten Kontext von Minimal Art, Shaped Canvas, Objekthaftigkeit von Bildern, etc. zu lesen. Auch der für die Arbeiten konstitutive Umgang mit Farbe (der ein genuin künstlerischer, ja, vielleicht sogar malerischer ist), tritt zurück hinter eine Funktionalitätsbehauptung, die sich nicht zuletzt in der niederträchtigen Präzision ihrer Machart äußert: die Fertigung, der Umgang mit dem Material, die technische und optische Slickness sind so überaffirmativ, daß die Aura des Unikats hinter einer Anmutung fordistischer Serienfertigung verschwindet und noch der Aspekt des Modularen, der eigentlich aus der bildhauerischen Tradition des Minimal stammt, tarnt seine Herkunft als industrielle Serienmäßigkeit.

Balzes neue Skulpturen und Wandarbeiten, die in der Galerie Royal zum Teil zum ersten Mal überhaupt gezeigt werden, stellen die Frage nach dem Verlauf der Trennlinie zwischen Kunst und Design, Autonomie und Funktionalität ebenso radikal wie die nach eben dieser Unterscheidbarkeit überhaupt, bzw. nach der Tauglichkeit der hierzu üblichen Kriterien. Daneben präsentiert Balze noch ein wandfest in die Galerie eingebautes Raumelement, das nicht nur das Verhältnis von Skulptur und Raum (und wiederum der möglichen Grenze dazwischen) thematisiert, sondern, im Übersprung der farbigen Gestaltung zwischen diesem und einer der Skulpturen, auch das von Autonomie und Interdependenz. Bei allem konzeptuellen Überbau und allen eingebauten Irritationen verfügen Balzes Arbeiten jedoch auch immer über eine beachtliche Präsenz, Eigenständigkeit und Verführungskraft, durch die sie die von ihnen selbst geäußerten Zweifel sozusagen performativ unterlaufen. (Peter T. Lenhart)