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Mark Müller, Marina Rüttimann und Markus Weggenmann wurden aufgrund der Ausstellung „Spieglein, Spieglein an der Wand (ein Gemälde will schön sein?!)“ eingeladen, eine fortführende Schau in den Räumlichkeiten der Kunsthalle zu kuratieren. Wie der Titel verrät, ist man der heiklen Frage nachgegangen, ob ein abstraktes Bild auch schön sein will. Im zeitgenössischen (Kunst)-Verständnis ist “Schönheit“ verpönt, wird im verbalen und schriftlichen Vokabular oft gemieden oder auf vielfältigste Weise umschrieben. Ein provokatives Moment kann also in der Titelwahl dieser und der letzten Ausstellung nicht verleugnet werden.

Warum gibt es abstrakte Bilder, die berühren? Ist nur ein schönes Bild ein gelungenes Bild? Mit derartigen Fragestellungen möchten wir keine möglichen Antworten liefern, sondern vielmehr einige Denkanstösse auf einen Rundgang durch die Ausstellung mitgeben.

Der Titel „Fragmente des Paradieses“ entstammt einer Aussage von Adrian Schiess, in der er Farben als Fragmente des Paradieses bezeichnet. Da abstrakte Malerei vor allem eine Äusserung von Farbe ist, lässt sich ein erster Bezug zum Titel herleiten. Als Fragmente können auch die ausgestellten Bilder verstanden werden. Sie sind nur ein Teil, ein Bruchstück oder ein Ausschnitt aus einem ganzen Oeuvre. Oder enthält dieser Ausdruck eine Anspielung auf die eigene Wahrnehmung, die immer auch fragmentarischen Charakter besitzt?

Die Präsentation zeigt nur wenige Arbeiten, die sich alle mit dem traditionellen Tafelbild befassen. Die Künstlerliste basiert auf der vorangegangenen Ausstellung und wurde um zwei Beiträge erweitert, wobei die Spannweite nun von Christine Streuli (1975) bis Toon Verhoef (1946) reicht.

Die Auseinandersetzung mit abstrakter Malerei ist allen KünstlerInnen gemeinsam; die Ansätze und Lösungen dazu können ganz unterschiedlich ausfallen. Dennoch sind Verwandtschaften in ihrer Vorgehensweise aufzuzeigen.

Wie kommt die Kunst zu abstrakten Bildern?

Der bekannteste Weg dazu ist die Abstraktion der Wirklichkeit: Der Gegenstand wird durch den Malvorgang aufgelöst und bildet den Ausgangspunkt für ein Spiel von Farben und Formen.

Robert Zandvliet (*1970 in Terband) zum Beispiel wählt immer konkrete Situationen und reale Bilder als Grundlage für seine Malerei. Als Ergebnis schlängeln sich breite Farbbahnen über die ganze Leinwand und erinnern bisweilen entfernt an ein Strassennetz.

Erlebnisse, Stimmungen und Eindrücke von Reisen oder Fotoausschnitte aus Zeitungen prägen die Bilder von Toon Verhoef (*1946 in Voorburg). Durch die Abstraktion entstehen kuriose und ambivalente Formen, die sich in der Nahsicht auflösen.

Wie der Titel „ciel en août avec lune“ bereits sagt, entspringen die neuen Arbeiten von Adrian Schiess (*1959 in Zürich) einer Landschaftsabbildung. Es ist weniger ein visueller Eindruck, den er bildlich festhält, als ein Gefühl, das er zum Ausdruck bringt.

Ein zweiter Weg zu einem abstrakten Gemälde führt über die Konstruktion. Verschiedene Bildelemente, die einem genauen Entwurf unterliegen, werden zusammengesetzt. Beispielsweise baut Jonathan Lasker (*1948 in New York) seine Kompositionen mit geometrischen Rastern und Ornamenten auf, wobei er Formen und Strukturen aus dem Vokabular der abstrakten Malerei des 20. Jh. entleiht. Obgleich die Bilder manchmal lapidar wirken, sind sie bis ins Detail konstruiert.

Auch die Linien, Punkte und Farbflächen von Dennis Hollingsworth (*1956 in Madrid) folgen einem genauen Konzept.

Eine dritte Vorgehensweise kann man bei Judy Millar (*1957 in Auckland) und bei

Bernd Mechler (*1958 in Mannheim) beobachten. Beide KünstlerInnen entwickeln ihre Bilder aus der Malbewegung. Schleifen und Schlingen sind eine dauerhafte Momentaufnahme der Gestik. Ein festgehaltener Ausdruck.

Urs Frei (1958 in Zürich) hat keine starre Strategie. Ihn interessieren stets neue Entdeckungen mit neuen Materialien.

Der Ausgangspunkt von Christine Streuli's (*1975 in Bern) Malerei ist die Wirklichkeit, die sie erfährt, sieht und fühlt. Von überall her nimmt sie Eindrücke auf und verarbeitet sie grosszügig weiter. Dabei kann ein Gemälde konstruiert oder frei gestaltet sein. Der Titel bezieht sich oft nicht nur auf das Werk, sondern ist ein Teil davon.

Die jeweils angewandte Technik unterscheidet zwar die einzelnen Exponate der Ausstellung, doch verbindet sie die Aufforderung an den Betrachter, sie in Ruhe und Musse auf sich wirken zu lassen.

Marina Rüttimann, 21. August 2003 Pressetext

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Fragmente des Paradieses
KuratorInnen: Mark Müller, Marina Rüttimann, Markus Weggenmann

mit Urs Frei, Jonathan Lasker, Dennis Hollingsworth, Bernd Mechler, Judy Millar, Adrian Schiess, Christine Streuli, Toon Verhoef, Robert Zandvliet