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FRANCIS ALŸS
Le temps du sommeil

Eröffnung: Donnerstag, 17. November 2016, 19 Uhr

Francis Alÿs ist für unauffällige Interventionen und perform ative Handlungen ebenso bekannt wie als Initiator und Koordinator großangelegter kollektiver Aktionen voll allegorischem Gehalt. Viele dieser Aktionen, sowohl die, welche den Künstler als Akteur zeigen, als auch die Massenaktionen, bei denen Alÿs als Perso n im Hintergrund bleibt, haben inzwischen Kultstatus erlangt. In Re -enactments (2000, Mexiko City) spazierte Alÿs mit einer geladenen Pistole durch die Stadt, bis er von einem Polizisten aufgehalten wurde, den er schließlich dazu überredete, die ganze Akti on zu wiederholen und auf Video aufzuzeichnen – daher der Titel Re- enactments. Der Prozess des Verhandelns und die Interaktion (mit dem Polizisten) sind charakteristisch für die Herangehensweise des Künstlers, dessen ortsspezifische Projekte sich über den Dialog mit Menschen mit den spezifischen lokalen und politischen Situationen befassen, diese aber als solche nie direkt ansprechen. When Faith Moves Mountains, 2002 in Lima, Peru, ausgeführt, war ein Projekt von fast biblischem Ausmaß: die Versetzung einer 500 Meter langen Sanddüne um zehn Zentimeter, ausgeführt von 500 Freiwilligen, reflektierte die aussichtslose Stimmung in einem Land, das von einer Diktatur beherrscht war, und wurde zu einer symbolischen Geste der Hoffnung.

Im Zentrum der gleichnamigen Ausstellung in der Secession steht Le temps du sommeil (Die Zeit des Schlafes, 1996 –), ein Werk, das in seiner Subtilität und Unergründlichkeit paradigmatisch für das gesamte Oeuvre ist. Die kleinformatigen, auf Holz gemalten Bildwerke (11,5 x 15,5 cm) zei gen miniaturhafte Szenen und wirken häufig wie Momentaufnahmen einfacher Bewegungen und Tätigkeiten, die sich bei genauerem Hinsehen als ziemlich absurd herausstellen.

Le temps du sommeil ist eine Serie von 111 Gemälden, die innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte entstanden, aber nicht abgeschlossen ist. Anstatt die Serie quantitativ zu erweitern, überarbeitet, verändert, ergänzt Alÿs die Bilder und mitunter übermalt er sie auch vollständig. Manche Tafeln bleiben über Jahre unberührt, andere unterliegen häufigeren Überarbeitungen. Seit der letzten Präsentation der Arbeit wurde rund ein Viertel der Bilder übermalt, allein 16 Bilder tragen einen Datumsstempel aus 2016. Einzig fotografische Dokumentationen geben Aufschluss über die Transformationen dieses Werkes, das sich gewissermaßen mit dem Künstler weiterentwickelt: Die Arbeit verdeutlicht einerseits die Beständigkeit und das Fundament, auf dem Alÿs’ künstlerische Arbeit ruht, andererseits veranschaulicht sie auch sich verändernde Interessen und die Verschiebung von Prioritäten.

Die Bilder sind in jeder Weise anspruchsvoll: Das kleine Format entzieht sie dem schnellen Blick – sie fordern Zeit. Die BesucherInnen, die sich darauf einlassen, das lange Band von Bildern abzuschreiten, werden mit einem einzigar tigen Bilduniversum vertraut: Die meisten Darstellungen entstammen den Notizbüchern des Künstlers, dessen malerisches Werk seit Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit parallel zu den Aktionen und kollaborativen Großprojekten entsteht. Es zeichnet sich aus durch wiederkehrende oder ähnliche Charaktere, die wie die Figuren eines Romans immer wieder in Erscheinung treten.

Auffallend sind seine mit Anzug bekleideten Protagonisten, die aus anderen Malereiserien als „the Liar“, „the Prophet“, „the Clown“ u.a. b ekannt sind und die entweder zuerst in Le temps du sommeil skizziert und von hier aus in weiteren Arbeiten entwickelt wurden oder umgekehrt. Die Stilfiguren von Spiegelung und Umkehrung finden sich bei Alÿs häufig, sowohl in seinen Texten als auch seinen B ildern. Le temps du sommeil ist Archiv, Fundus und Ideensammlung in einem.

Die Verschränkung von Wort und Bild – häufig über die Titel der Arbeiten – ist ein weiterer wichtiger Aspekt seiner Arbeit. Dass die Bilder der Serie gemeinsam mit Konzepttexten un d Ideen für Interventionen und Werke gezeigt werden, sollte nicht in die Irre führen. Die Texte sind nicht als Erläuterung zu den Bildern zu verstehen, sie treten vielmehr in einen Dialog und verweisen auf das komplizierte Verhältnis von visueller und verb aler Kommunikation – und das nicht ohne Humor.

Im Grafischen Kabinett werden die Filme Paradox of Praxis 1 (Sometimes Making Something Leads to Nothing) (1997) und Paradox of Praxis 5, Ciudad Juárez, México (Sometimes we dream as we live and we live as we dream) (2013) gezeigt, die einen Bogen von seinem frühen Werk zu einer ganz neuen Videoarbeit schlagen.

FRANCIS ALŸS Francis Alÿs, geboren 1959 in Belgien, lebt und arbeitet in Mexiko -Stadt.

Einzelausstellungen (Auswahl)
: 2016 Story of Negotiation , M useo Nacional de Bellas Artes, Havanna; 2015 Story of Negotiation , Malba, Buenos Aires, Argentina; Beyond the River. Afghan Projects 2010- 2014 , The Sergey Kuryokhin Centre for Contemporary Art, St. Petersburg, Russia; Hotel Juarez , Proyecto Siqueiros: Sala de Arte Público, Mexico City, Mexico; A Story of Negotiation , Museo Tamayo, Mexico City, Mexico 2014 Reel Unreel (Afghan Projects, 2010 -2014) , CCA Ujazdowski Castle, Warsaw, Poland; Reel -Unreel (Afghan Projects, 2010 -2014) , Madre, Naples, Italy; Fabiola, Museo de Arte Zapopan, Zapopan, Jalisco, Mexico; Seven Walks , Art Exchange, University of Essex, UK; 2012 Guards, University of Michigan, Museum of Art, Ann Arbor, US; 2011; A Story of Deception , The Museum of Modern Art, New York; BACA 2010 Biennial Award Contemporary Art , Bonnefanten Museum, Maastricht, Netherlands; A Story of Deception , Wiels, Brussels; A Story of Deception, Tate Modern, London, UK; Le Temps du Sommeil , Irish Museum of Modern Art, Dublin, Irland; 2009 Politics of Rehersal , Museo de Arte del Banco de la Republica, Bogota, Colombia; Fabiola , National Portrait Gallery, London; 2008 Bolero (Shoe Shine Blues) and Politics of Rehearsal , The Renaissance Society, Chicago, US;

Gruppenausstellungen (Auswahl ):
2016 32nd São Paulo Biennial , São Pau lo, Brazil; While you are here , Museum of Fine Arts, Boston; Esma’/Listen , Beirut Art Center, Beirut, Lebanon; The Gap: Selected Abstract Art from Belgium , Museum van Hedendaagse Kunst Antwerpen, Antwerp, Belgium; 2015 Saltwater , Istanbul Biennial, Istanbul, Turkey; The Revenge of the Common Place , Flemish Pavillon, 56th Venice Biennale , Venice, Italy; 2014 Zero Tolerance , MoMA PS1, Long Island City, New York, US ; Pure Water , Lentos Kunstmuseum Linz, Austria; Manifesta 10 , The State Hermitage Museum, St. Petersburg, Russia; Under the Same Sun: Art from Latin America Today , Solomon R. Guggenheim Museum, New York, US; 2013 América Latina 1960-2013 photographs , La Fondation Cartier pour l’art contemporain, Paris, France; The Floating Admiral , Palais de Tokyo, P aris, France; Fail Better , Hamburger Kunsthalle, Hamburg, Germany; 2012 Documenta 13 , Kassel, Germany;

PUBLIKATION
Francis Alÿs
Le temps du sommeil
184 Seiten
Details: Hardcover, 195x145 mm, dreiseitiger Farbschnitt
Texte: Francis Alÿs, Catherine Lamper t
112 Abbildungen
Secession 2016
Vertrieb: Revolver Verlag
EURO 39,-

Das Ausstellungsprogramm wird vom Vorstand der Secession zusammengestellt. Kuratorin: Bettina Spörr

Ausstellungsgespräch
Donnerstag, 17. November 2016, 18 Uhr Francis Alÿs im Gespräch mit Catherine Lampert Eine Veranstaltung der Freunde der Secession (in englischer Sprache)