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Francis Picabia (1879 Paris 1953) gehört zu den grossen Neuerern, Provokateuren, Anregern, Deserteuren, Grenzgängern, Kitschiers und Alleskönnern der Moderne. Es dürfte kaum einen zweiten Künstler geben, auf den sämtliche dieser Bezeichnungen zuträfen. Kein weiterer erlebte in seiner Kunst derartig viele Facetten, heftige Gegensätze und Auseinandersetzungen in den Höhen und Tiefen der Epoche, welche durch zwei Weltkriege geprägt war, durch deren aufgewühlte Inkubations-Zeiten, ihre grauenhaften Apotheosen und die Nachspiele verzweifelter Bewältigung.

Von 1905 bis 1908 war Picabia ein gefeierter Spätimpressionist, nach 1910 erfand er gleichzeitig mit Kandinsky und Magnelli die abstrakte Malerei, welche die 30er Jahre und die nach 1945 tätige Generation beherrschte. Ab 1915 durchdrang die Technik seine Bildwelt in surrealer Entfremdung, Vorbild für die gesamte mechanomorphe Kunst der Moderne, z. B. auch eines Konrad Klaphek. Kurz darauf gehörte er zu den führenden Dadaisten in der Schweiz und in Paris.

Mitte der 20er Jahre sagte er sich von sämtlichen Theorien und Doktrinen los, paraphrasierte die alten Meister in „Monster“-Bildern, womit er einer der Ziehväter der „Neuen Wilden“ der 80er Jahre wurde. Schliesslich – und das vor allem während des Zweiten Weltkrieges vielleicht als Flucht – gelangte er nach Vorbildern aus Filmstills und Reklame zu einer Malerei zwischen Kitsch und hyperfotorealistischem Illusionismus. Meist war diese realisiert in teuflisch schönen Frauen, die der von Haus aus wohlhabende Lebemann, Eigner schneller Autos und Yachten sowie eines „Château de Mai“ an der Côte d’Azur, nie verachtete.

Nach 1945 wurde er in Paris zum Mentor zahlreicher Exponenten der Ecole de Paris und beteiligte sich auch selbst aktiv and dieser zur Weltsprache werdenden abstrakten (vermeintlichen) Sprachlosigkeit, der einzig möglichen Antwort der Kunst auf Weltkrieg und Holocaust. Picabias Werk ist auch heute noch die umfangreichste und vielfältigste „Fundgrube“ künstlerischer Möglichkeiten.

Die Galerie Henze und Ketterer, Wichtrach/Bern, zeigt vom 12. September bis 14. November 2009 dreissig Gemälde und Arbeiten auf Papier von Picabia besonders aus der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, einige frühere.

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Francis Picabia
Moteur à toutes Tendances. Die Jahrzehnte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg