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Frankfurter Positionen: Ein Experimentierfeld für die Künste

Die 2001 erstmals veranstalteten Frankfurter Positionen verstehen sich als Experimentierfeld: In einem etwa zweijährigen Turnus versuchen sie, mit den Mitteln verschiedener Sparten der Künste sowie mit begleitenden analytischen Statements eine Positionsbestimmung zu dem sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel und zu den Veränderungen in der Lebenswelt zu formulieren. Die Frankfurter Positionen initiieren so einen kontinuierlichen kreativen Prozess mit dem Ziel, neue Sichtweisen und soziale Phantasie zu entwickeln.

Das Projekt ist eine Initiative der BHF-BANK-Stiftung, die – unter Einbeziehung unabhängiger Fachjuries - auch die Aufträge zur Erstellung neuer Werke an die beteiligten Künstler erteilt. Die Frankfurter Positionen werden von einem breiten Frankfurter Kultur-Netzwerk getragen, bei dem inzwischen 16 Institutionen zusammenarbeiten. Seit der Etablierung des Projekts haben so rd. 50 Theaterautoren, bildende Künstler, Komponisten, Choreographen und Filmer die Möglichkeit erhalten, neue Werke in ihrem Bereich zu schaffen und diese in und mit bedeutenden Institutionen zu präsentieren.

Im Labor des Lebens

13 Uraufführungen oder Erstpräsentationen von Werken hochkarätiger, internationaler Theaterautoren, Künstler, Komponisten, Choreographen oder Filmemacher und ein umfangreiches Rahmenprogramm reflektieren bei den FRANKFURTER POSITIONEN 2008 – FESTIVAL FÜR NEUE WERKE VOM 12.04 BIS 08.05.2008 das Thema „Leben erfinden – über die Optimierung von Mensch und Natur“ / besondere Höhepunkte: Kunst-Demonstration in der Frankfurter Innenstadt, Gemeinschaftsprojekte mehrerer Institutionen

Frankfurt am Main, 18. März 2008. – Wie eine Ader stellt sich der amerikanische Musiker und Klangkünstler Arto Lindsay die Kunst-Parade vor, die sich am 19. April in der Frankfurter Innenstadt vom Portikus zum Museum für Moderne Kunst bewegen wird. In der Blutbahn werden sich batteriebetriebene Hunde-Roboter bewegen, Mitglieder zahlreicher Vereine oder einer Feuerwehrkapelle, performative Künstler wie der italienische Hardcore-Musiker Nico Vascellari oder der Choreograph und Performer Richard Siegal. Dabei verwandeln sich die Hunde-Roboter, in die auf technischem Wege Musik übertragen wird, in künstlich-natürliche Zwitter. Sie reagieren auf den Eingriff der Musik – ähnlich wie die menschliche Natur mit artifiziellen Optimierungsversuchen zurechtkommen muss. Mit dem Konzept für die Parade I AM A MAN setzt sich Arto Lindsay mit dem Thema der diesjährigen Frankfurter Positionen „Leben erfinden – Über die Optimierung von Mensch und Natur“ – auseinander. Sicherlich einer der aufsehenerregendsten Beiträge des interdisziplinären Programms in den Sparten Theater, bildende Kunst, Musik und Bewegung sowie Film. Parallel zu der Parade werden in Geschäften und Galerien der Braubachstraße und der Fahrgasse Schülerarbeiten mit Gert und Uwe Tobias zu sehen sein. Die 1973 geborenen Künstler-Zwillinge sorgten jüngst für Aufsehen, weil ihnen das New Yorker Museum of Modern Art eine Einzelausstellung widmete. Sie haben seit ihrer Studienzeit immer wieder Projekte mit Kindern gemacht, was ihnen auch für ihre eigene Arbeit wichtig ist – und greifen in ihrer Reaktion auf das Thema des Frankfurter Festivals für neue Werke vom 12.04. bis 08.05.2008 auf diese Erfahrung zurück.

Weitere Höhepunkte versprechen die Präsentationen von vier neuen Theaterstücken (von Rafael Spregelburd, Anja Hilling, Marcus Braun und Marc Becker) und die diesmal bei den Frankfurter Positionen erprobte Verbindung der Musiksparte mit dem Tanz. Fünf Projekte erkunden das Verhältnis von Musik, Körper und Bewegung: Am 12.04. beginnt um 20 Uhr im Künstlerhaus Mousonturm – einer der neuen Partner der Frankfurter Positionen 2008 – ein Musik- und Tanzabend mit zwei Uraufführungen: Für „two steps apart“ stellten sich fünf Tänzer des Tanzlabor_21 und fünf Musiker der Internationalen Ensemble Modern Akademie der besonderen Herausforderung, gemeinsam und gleichberechtigt eine Abfolge einzelner Szenen zu entwickeln. Dabei standen ihnen die niederländische Choreographin Anouk van Dijk und der Frankfurter Komponist Hubert Machnik als „Mentoren“ zur Seite. Dann folgt als zweiter Teil des Abends und ebenfalls als Uraufführung „Polymerae“ von Elliott Sharp. Der amerikanische Multiinstrumentalist und Komponist, der als eine der markantesten Persönlichkeiten der experimentellen Avantgardeszene New Yorks gilt, hat dieses Werk extra für acht Musiker des Ensemble Modern erstellt. Auf dieser Grundlage erarbeitete der als Choreograph und Tänzer bei William Forsythe’s Ballett Frankfurt bekannte Jacopo Godani zusammen mit Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main die Bewegungsabläufe.

Das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit eines Komponisten und einer Choreographin bei der Werkerstellung ist die Uraufführung „Weil Erde in meinem Körper war“ (23. April, 20.00 Uhr, schauspielfrankfurt, Großes Haus). Der Experimental-Musiker Alvin Curran und die Regisseurin und Choreographin Wanda Golonka erarbeiteten gemeinsam ein Stück für Musiker, Tänzer und Schauspieler, das der These von der permanenten Neuerfindung von Körper und Leben die Bedeutung von Vergangenem, Erlebtem, Erinnertem für die Konstruktion von Identität und die Entstehung von Leben gegenüberstellt.

Auf eine weitere modellhafte Form der Zusammenarbeit von Komponisten, Musikern und Choreographen bei der Werkerstellung setzt das musikalisch-choreografische Projekt „Jagden und Formen“ (Zustand 2008) – ein weiterer Höhepunkt der Frankfurter Positionen 2008 (Uraufführung 07.05., 20.00 Uhr, schauspielfrankfurt, Großes Haus): Hierbei erarbeiten der Komponist Wolfgang Rihm und die Compagnie Sasha Waltz & Guest eine Weiterentwicklung der bestehenden Komposition „Jagden und Formen“ hin zu einer getanzten Fassung. Der Synergieeffekt zwischen den Künsten ist die Grundlage für die Entwicklung eines Spielsystems, in dem die hochenergetische Musik Wolfgang Rihms ihren körperlichen Ausdruck in den Bewegungen von Musikern und Tänzern findet. Die Musiker des Ensemble Modern treten dabei in einer Doppelfunktion auf: Sie sind als Musiker zu hören und werden sich im Rahmen der Choreografie neben den Tänzern der Compagnie auch im Raum bewegen.

Für den seit 2006 zu den Frankfurter Positionen zählenden Filmschwerpunkt konnte diesmal die Redaktion der Filmzeitschrift Revolver gewonnen werden: Zu ihren Mitgliedern zählen u.a. die Regisseure und Gründungsredakteure Benjamin Heisenberg (Schläfer D 2004/05) und Christoph Hochhäusler (Falscher Bekenner D 2005; Milchwald, D 2002/03), die mit ihren Filmen eine neue Aufmerksamkeit für den deutschen Film – auch international – auslösten und als Vertreter einer neuen Generation deutscher Autorenfilmer gelten. Die Redaktion wurde beauftragt, Werkaufträge für sechs Kurzfilme zu vergeben, die im Deutschen Filmmuseum im Rahmen einer Ausstellung und einer Uraufführung vorgestellt werden (Ausstellungseröffnung Freitag 18.04., 19.00 Uhr, Deutsches Filmmuseum, 2. Stock; Uraufführung 20.00 Uhr, Kino Deutsches Filmmuseum). Die Filme bringen vor dem Hintergrund des Themas der Frankfurter Positionen 2008 sehr unterschiedliche Standpunkte miteinander in Dialog. Zu den sechs Filmen, die gemeinsam unter dem Titel „Zukunft des Körpers“ präsentiert werden, zählt zum Beispiel das dokumentarische Porträt einer Frau, die nur dank eines in ihren Körper eingebauten Chips überhaupt noch am Leben ist. Oder eine 10 Minuten lange, einzige Einstellung, in der der Regisseur Norman Richter die Kamera auf seine Großmutter richtet. Hiermit kontrastieren experimentell angelegte Beiträge, die sich mit der kulturellen Bedeutung von Eingriffen der modernen Techniken in die Körperlichkeit beschäftigen.

Vielfältige Gelegenheit für Gespräche über das Thema der Frankfurter Positionen 2008 zu diskutieren, werden sich bei der ebenfalls zum Filmschwerpunkt zählenden Filmreihe „Leben erfinden“ bieten, bei der – jeweils im Anschluss an die Vorführung eines Films – der von einem Mitglied der Revolver-Redaktion ausgewählt wurde - ein Gespräch mit einem Gast stattfindet.

Zu Diskussionen lädt auch die begleitende Lectures-Reihe der Frankfurter Positionen ein – deren neuer Partner das Senckenberg Naturmuseum ist: Der Mediziner und Psychiater Klaus Dörner, die Philosophin Petra Gehring, der Datenschutzexperte Spiros Simitis, der Paläoanthropologe Friedemann Schrenk, der Publizist Florian Rötzer und der Paläontologe und Direktor des Senckenberg Naturmuseum Volker Moosbrugger werden ihre Positionen formulieren.

Unter dem Titel „Leben erfinden – Über die Optimierung von Mensch und Natur“ möchten die Frankfurter Positionen mit ihren vielfältigen Ansätzen Erkenntnisgewinne in einem hochaktuellen Feld ermöglichen: Dabei liegt der Akzent weniger auf der nachträglichen Kommentierung des rasanten naturwissenschaftlichen Fortschritts, der derzeit zu verzeichnen ist, als vielmehr auf Impulsen für geisteswissenschaftliche Diskussionen, die ihren Anfang bei den Positionen der beauftragten Künstlern nehmen könnten: Welche Menschenbilder erscheinen am Horizont der sich abzeichnenden Entwicklungen? Was bedeuten rein technische Verfahrensmöglichkeiten – von der Pflanzenpatentierung über Organtransplantationen bis zur radikalen Verbesserung des Erbguts von Tier und Mensch für die Wahrnehmung des Körpers, der Körperlichkeit, das soziale Zusammenleben der Menschen? Welche Entscheidungszwänge ergeben sich? Wo sind die Quellen und die Grenzen der Erneuerungsdynamik?

Insgesamt präsentieren die Frankfurter Positionen 2008 ein Programm mit 24 Veranstaltungen, darunter 13 Uraufführungen oder Erstpräsentationen. Das Festival wird seit 2001 in Kooperation mit zahlreichen Frankfurter Kulturinstitutionen auf Initiative der BHF-BANK-Stiftung veranstaltet. Die Stiftung erteilt – von Jurys ausgewählten – Theaterautoren, bildenden Künstlern, Filmemachern und Musikern Aufträge zur Erstellung neuer Werke, die gebündelt an verschiedenen Orten in Frankfurt am Main als Produktionen der betreffenden Institutionen präsentiert werden. Das ungewöhnliche Projekt, das seit seiner Gründung beträchtlich gewachsen ist und 2006 zahlreiche Besucher anlockte, bezieht seinen Reiz auch daraus, dass es dazu herausfordert, Querverbindungen zwischen den Künsten zu denken.

Eröffnung der Frankfurter Positionen 12.04.2008 ab 17.00 Uhr, schauspielfrankfurt

www.frankfurterpositionen.d

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Frankfurter Positionen 2008
Festival für neue Werke
Leben erfinden. Über die Optimierung von Mensch und Natur

Künstler: Arto Lindsay, Gert & Uwe Tobias, Rafael Spregelburd, Rebecca Baron, Douglas Goodwin, Thomas Draschan, Sebastian Brameshuber, Katrin Eissing, Rainer Knepperges, Norman Richter, Jose van der Schoot, Lutz Dammbeck, Aleksandr Askoldov, Apichatpong Weerasethakul, Jorgen Leth, Sarah Price, Dan Ollman...