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Franz Ehrlich, Schüler am Bauhaus Dessau, Designer und Architekt, gehört zu den Bauhäuslern, deren Werk gerade in jüngster Zeit neu entdeckt wird. Die Ausstellung öffnet einen schmalen, aber wichtigen Ausschnitt daraus. Sie thematisiert Ehrlichs Zeit im antifaschistischen Widerstand, im Zuchthaus und im Konzentrationslager Buchenwald, wo er bis 1939 gefangen gehalten wird.

Franz Ehrlich (1907 – 1984)

1907 – 1926 Franz Joseph Ehrlich wird am 28. Dezember 1907 in Leipzig-Reudnitz als zweites Kind eines Mechanikers und einer Hausfrau geboren. Er hat fünf Geschwister und besucht die Volksschule. Lehre als Maschinenbauschlosser, Sonntags- und Abendgewerbeschule der Polytechnischen Gesellschaft in Leipzig.

1927 – 1930 Student und Mitarbeiter am Bauhaus Dessau. Vorkurs bei Josef Albers und László Moholy-Nagy. Unterricht bei Paul Klee, Wassily Kandinsky, Joost Schmidt, Oskar Schlemmer, Wilhelm Ostwald und Fritz Köhn. Studentischer Vertreter im Meisterrat. 1930 Bauhaus-Diplom der Plastischen Werkstatt. 1930 Mitglied der KPD.

1931/32 Mitarbeit in den Ateliers von Walter Gropius, Mies van der Rohe und Hans Pölzig. 1932 mit Heinz Loew und Fritz Winter im Gestalteratelier »Studio Z«, Berlin.

1933 Werbegrafiker im Verlag Otto Beyer Leipzig. Im Widerstand Mitherausgeber der illegalen Zeitschrift »Junge Garde«.

1934 – 1937 Verhaftung. 1935 Verurteilung zu drei Jahren Zuchthaus wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«. Haft in den Zuchthäusern Waldheim und Zwickau.

1937 – 1939 Im Konzentrationslager Buchenwald. Häftlingskommando Baubüro. Entwurfsarbeiten und Bauzeichnungen für die SS. Aktiv im Lagerwiderstand.

1939 – 1943 Entlassung aus Buchenwald 1939. Als »wehrunwürdig« Ausschluss vom Wehrdienst. Arbeitsverpflichtung im SS-Baubüro Buchenwald und im SS Hauptamt Haushalt und Bauten, Berlin.

1943 – 1945 Wehrmacht-Strafbataillon IV/999 ab April 1943 in Griechenland und auf dem Balkan. Jugoslawische Kriegsgefangenschaft.

1946 – 1952 Referent für Wiederaufbau beim Rat der Stadt Dresden. Entwurf des ersten Aufbauplans. Bebauungsplan für den Stadtteil Heller. Mitglied der SED. Freischaffender Architekt mit einer Gestaltergruppe in Dresden. Ab 1950 Technischer Direktor VVB Industrie-Entwurf Berlin (Projektierung und Bauleitung von Industriebauten des ersten Fünfjahrplanes der DDR). Kündigt im Zuge der »Formalismusdebatte«.

1953 – 1974 Bauleitung und Entwurfstätigkeiten für Schul- und Universitätsbauten, Rundfunk- und Fernsehstudios, Krankenhäuser, Konzert- und Museumsbauten. Ab 1957 Möbeldesign für den VEB Deutsche Werkstätten Hellerau (Anbaumöbelserie 602). Ausstellungsdesign für internationale Messen in Jugoslawien, Ceylon, Indonesien und Finnland. Auftragsarchitekt des Ministeriums für Außenwirtschaft der DDR (Entwurf und Bau von Handelsvertretungen u.a. in Moskau, Prag, Budapest, Brüssel, Paris und Neu Delhi).

1975 – 1984 Ab 1979 krankheitsbedingt eingeschränkte Tätigkeit in Berlin. Ende 1980 erste Ausstellung: »Franz Ehrlich – die frühen Jahre« in der Galerie am Sachsenplatz Leipzig. Franz Ehrlich stirbt am 28. November 1984 in Bernburg/Saale.

»Blätter aus der Haft«

Zum Zeitpunkt des nationalsozialistischen Machtantritts 1933 arbeitet Franz Ehrlich in Leipzig für den Otto Beyer Verlag und die Zeitschrift »die neue linie«. Trotz der Gefahr, wie Tausende Mitglieder seiner Partei verhaftet zu werden, schließt er sich einer kommunistischen Widerstandsgruppe an. Mit der Verhaftung durch die Gestapo 1934 endet seine kurze berufliche Karriere. Die Freundin kann ihm Malutensilien in die Untersuchungshaft bringen und als Mittel der Selbstbehauptung entstehen zahlreiche Blätter, von denen mehr als fünfzig über die Jahre der Haft gerettet werden können.

Im Konzentrationslager Buchenwald

Bei seiner Einlieferung in Buchenwald Anfang September 1937 gibt Franz Ehrlich als Beruf Architekt an. Wie alle Neuankommenden muss er in den mörderischen Steinbruch, wo sich seine Kräfte schnell verbrauchen. Mit dem Mut des Verzweifelten wechselt er nach zwei Wochen eigenmächtig den Arbeitsort. Ehrlichs Fähigkeiten werden gebraucht, denn der unberechenbare SS-Lagerkommandant verlangt eine repräsentative Innenausstattung für sein Wohnhaus. Auf die ersten Gestaltungsarbeiten folgen weitere Aufträge der SS, die nicht auf Buchenwald beschränkt bleiben. So entstehen Überlebensmöglichkeiten und Spielräume.

Eine Welt roher Funktionalität

Ab 1936 errichtet die SS neue Lagerkomplexe. Scheinbar am Rand, wachsen sie doch aus dem Zentrum der deutschen Gesellschaft, die den rassistischen Herrenmenschen zur Leitfigur erhebt und sich auf die Eroberung Europas vorbereitet. An den Toren der Konzentrationslager ersterben nicht nur Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Recht und Würde, sondern auch alle Formen von mitmenschlicher Sprache und Kommunikation. Namen werden zu austauschbaren Nummern, Sprache wird auf Befehle reduziert, die Alltagssprache beherrscht von einer Legierung aus SS- und Lagerjargon. Hinter dem Lagertor beginnt, gewollt von der SS, eine Welt roher Funktionalität, in der improvisiertes Durcheinander und triste Einförmigkeit konkurrieren. Davon zeugen auch die verwendeten Typografien. Für die Häftlinge hingegen konnte das gestaltete Wort, das Zitat, der Text einen besonderen Wert bekommen, um sich zu behaupten und zu widerstehen – selbst dann, wenn sie Vorgaben der SS folgen mussten, wie im Falle des Buchenwalder Lagerliedes oder der von Franz Ehrlich entworfenen typografischen Gestaltung der Lagertorinschrift: »Jedem das Seine«.

»Jedem das Seine« 1938

Franz Ehrlich zeigt auch im Konzentrationslager Haltung. 1938 befiehlt ihm der SS-Bauleiter, einen typografischen Entwurf für den Spruch »Jedem das Seine« anzufertigen. Im Lagertor nach innen lesbar angebracht, soll er das Recht der SS auf brutale Aussonderung und Ermordung der Anderen demonstrieren. Ehrlich entwirft die Buchstaben in Anlehnung an Meister des Bauhauses und an seinen Lehrer Joost Schmidt.

Der bewusste Rückgriff auf gerade diese Typografie wendet sich entschieden gegen die nationalsozialistische Weltanschauung und ist eine stille Gegenwehr gegen seine Peiniger. Auf subtile Weise wird so auch die ursprüngliche Bedeutung des römischen Rechtsgrundsatzes suum cuique verteidigt: Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere. – Die Gebote des Rechts sind folgende: Ehrenhaft leben, niemanden verletzen, jedem das Seine gewähren.

Bauhäusler in Verfolgung und Widerstand – 61 Biografien

Nur eine kleine Minderheit von Bauhausschülern geht in den Widerstand, riskiert das Ende ihres Schaffens und setzt ihr Leben aufs Spiel. Die Ausstellung erinnert an 61 Frauen und Männer, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, inhaftiert oder ermordet werden. Offene Fragen bleiben, die Suche ist nicht beendet.

Hommage an einen Unzeitgemäßen

-273,15 °C = 0 Kelvin ist eine Videoinstallation von Nina Fischer und Maroan el Sani über das Rundfunkhaus Berlin, Nalepastraße, Franz Ehrlichs Meisterwerk.

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Franz Ehrlich. Ein Bauhäusler in Widerstand und Konzentrationslager
Eine Ausstellung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora (Gedenkstätte Buchenwald, Weimar) in Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar und der Stiftung Bauhaus Dessau im Rahmen des Bauhausjahres 2009.
Ort: Neues Museum Weimar