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Seit Mitte der Sechzigerjahre ist das Werk Franz Erhard Walthers in der Diskussion. Immer deutlicher wird, wie grundlegend sein Beitrag für die Entwicklung eines handlungsorientierten Kunstverständnisses in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war und wie impulsgebend seine Position für nachfolgende Künstlergenerationen weiterhin ist. Denn dass man Kunst nur anschauen aber nicht anfassen darf, dass also zwischen einem Kunstwerk und unserem Körper, unserem Verhalten, unserer Position und Verantwortung als Akteure im sozialen Raum eine unüberwindliche Grenze liegen soll, reizt immer noch zu Widerspruch.

Franz Erhard Walther ist einer der Väter dieses Widerspruchs: Vertreter einer relationalen Ästhetik avant la lettre, die den Werkcharakter der Kunst substanziell erfasst.

Seit 1963 hat der viermalige Documenta-Teilnehmer kontinuierlich Brückenköpfe für einen performativen und partizipativen Skulpturbegriff gebaut - für eine Vorstellung von Kunst als kommunikatives Geschehen, zu dem Künstler und Publikum gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe beitragen. Als „Bedeutung“ galt Walther immer primär das, was in dieser Kommunikation entsteht, nicht was sich allein und in stiller Versenkung vom Grunde eines Werkes heben lässt.

An ihre Betrachterinnen und Betrachter richten seine unkomplizierten, geradlinigen Objekte und Installationen teils handfeste, teils gedankliche Benutzungsangebote, die den Handlungsimpuls, die Körperwahrnehmung und die relationale Verortung der Rezipienten im Raum sowie zu einander ansprechen und problematisieren. Dabei zeigt Walthers OEuvre in seiner Entwicklung über fünf Dekaden beispielhaft den methodischen Spielraum aber auch die Schwierigkeiten einer Kunst, die ihr Publikum zum Ko-Autor machen möchte in der Hoffnung, die kulturelle Praxis ließe sich auf kollektivere, vielleicht demokratischere Füße stellen. 

Unsere Ausstellung resümiert zentrale Themen und methodische Fragestellungen des Werkes von Franz Erhard Walther, beginnend in den späten Fünfzigerjahren bis in die Gegenwart:
 

• Wir zeigen Walthers Variante einer minimalistischen Ästhetik, die wir in Abgrenzung zum Kanon der amerikanischen Minimal Art als „Partizipatorischen Minimalismus“ bezeichnet haben (KOW ISSUE 1, 2009). Zum einen entwickelte Walther der Minimal Art nahe stehende Formen als skulpturale Nutzungs- und Aufführungangebote, die sich dem Publikum als Anlass, Rahmen oder Projektionsfläche für dessen eigene Handlungsimpulse darbieten. Zum anderen ist die eigentliche Betrachterbeteiligung selbst minimalistisch angelegt.
  • Wir zeichnen nach, wie Walther zwischen 1960 und 1963 die Begrenzung des Bildträgers zunächst thematisierte und dann überschritt. Sein „Ausstieg aus dem Bild“ wird als Interesse an offenen, flexibel modulierbaren Rahmensituationen erkennbar. Die aus Stoff genähten Objekte des 1. Werksatzes (1963-69) zeigen sich als konzeptionelle und bildnerische Konsequenz dieser Suche nach einer dauerhaft dynamischen Werkdimension, die auch die architektonischen Raummodule der Siebzigerjahre prägt. Erstmals wird dabei auch die Technik der Nähung genauer beleuchtet, die Franz Erhard Walther ab 1963 als künstlerisches Verfahren entwickelte und die Johanna Walther bis heute handwerklich umsetzt. 
  • Seit frühen typographischen Studien an der Werkkunstschule Offenbach ist die formale Organisation von Sprache, die Gestaltung von Text und Begriff, ein Kernthema Walthers. Von den „Wortbildern“ (1957-58) bis zum „Neuen Alphabet“ aus den Jahren 1990-96 zeigen wir, wie Walthers ästhetisches Programm zwischen dem bildnerischen Raum (der Zeichnung und der Skulptur), dem Raum der Terminologie (oft auch als Raum des Buches), und dem Realraum des handelnden Subjektes kontinuierlich vermittelt und ihr Wechselverhältnis befragt.



Die Ausstellung umfasst rund 30 Arbeiten verschiedener Werkphasen, die durch dokumentarisches Bild- und Textmaterial ergänzt werden. In Kooperation mit dem Internationalen JugendKunst-und Kulturhaus Schlesische27 laden wir Berliner Jugendliche ein, Arbeiten Walthers zu benutzen und dabei öffentlich zu diskutieren. Termine bitte erfragen.