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Vom 12. Dezember 2008 bis 1. März 2009 widmet das Kunsthaus Zürich dem Zürcher Maler Friedrich Kuhn (1926-1972) eine über 100 Werke umfassende Ausstellung. In seiner zwischen Realismus und Abstraktion angesiedelten anarchischen Malerei steckt die ganze Befindlichkeit der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Einerseits bewundertes Mitglied der Zürcher Bohème, errang er auch als Bürgerschreck Berühmtheit.

Friedrich Kuhn gilt in der Schweizer Kunstgeschichte als markantester Vertreter jener Kunstszene, die sich in den 1960er Jahren als Gegenkraft zur damals dominanten abstrakten und konkreten Kunst formierte. Sein Werk ist eine zugleich feinnervige und anarchische Malerei zwischen Figuration und Abstraktion, die auch persönlich besetzte Zitate aus der modernen Massenkultur und Anspielungen an die aufkeimende Popkultur enthält.   AUSSENSEITERKUNST? Ein veritabler Bürgerschreck für die einen, verkörperte er für andere den im Kern sensiblen Freigeist, der gegen gesellschaftliche Zwänge auflehnend, verschmitzt seine Lebensfreude auslebte. Paul Nizon, der in Paris lebende Schweizer Schriftsteller, der Kuhn später einen «Outlaw» nannte, entdeckte in dessen Malerei eine «Konventionsblasphemie», ein Verstossen gegen stilistische Regeleinheiten, und konstatiert doch in ihr einen «ausgesprochenen Schönheitskult». Kuhns Werk zeugt von Hingabe an eine Malerei ausserhalb der Schulen und Stile, in einer Offenheit, die nicht naiv ist, obwohl sie sich auch kindlich gibt. Kuhn steht ganz in seiner Zeit, in welcher man die Aussenseiterkunst, die Art Brut, Adolf Wölfli, Louis Soutter, entdeckte, sich mit Ensor, Dubuffet und Cobra beschäftigte. Doch gleichzeitig – das ist seine Stärke und macht ihn heute so aktuell – lässt er keine Zweifel offen, dass seine Psyche und Geist in der modernen Realität verankert sind.   ROMANTIK UND REKLAME Seine Kunst bezeugt sein ausgeprägtes Sensorium für die standardisierten Traumpotentiale etwa im Palmenmotiv der Bilder und Skulpturen, aber auch in den in die Malerei collagierten DelMonte-Dosen exotischer Früchte. Sie weiten das Bezugs-Spektrum seiner Kunst aus von der Romantiktradition bis hin zur Tourismusindustrie. Kuhn peilt vielschichtig Ambivalenzen an, kategoriale, indem zum Beispiel ein aus einer Anzeige ausgeschnittenes, sich kunstvoll windendes Schlagrahmhütchen das «Malerische» darum herum imitiert und parodiert, aber auch jene des Gefühls: Ein mumienhaftes Brautpaar hat sich dem bedeutungsvollen, erstarrten Weiss der Umgebung angepasst. Es ist eine komplexe Malerei des «Sampling», die Elemente der Hoch- und der Populärkultur vereint.   «VERHÄUSELUNG» DER SCHWEIZ Kuhn zeichnete und malte in Bleistift, Gouache und in Öl auf Papier, Karton, Leinwand oder Holz und collagierte in Mischtechnik sogar auf den ab Ende der 1960er Jahren entstehenden Skulpturen. Sie knüpfen an das Motiv des Möbels, der Verschachtelungen seiner Malerei der späten 1950er Jahre an, die einerseits den Kubismus persiflieren, andererseits die Symbole von Bürgerlichkeit und Rechtschaffenheit zu zersetzen scheinen. Es war die damals beginnende «Verhäuselung» der Schweizer Wirklichkeit, die Kuhn sich einverleibte, wie das grossformatige «Rêve helvétique (la santé)» belegt, eines der beiden Bilder, die er 1964 für die Expo in Lausanne malte.   EIN OUTLAW – PRODUKT DER ZÜRCHER BOHÈME Geboren 1926 in Schönenwerd im Kanton Solothurn, zog die Familie bald nach Zürich. Friedrich Kuhns Anfänge als Künstler sind ungewiss, und die in einem der Lebensläufe aufgeführte Grafikerlehre könnte genauso eine Legende sein, wie die dort zitierte «Reise zu den Eskimos». Von 1950-53 lebte er in Bern und im Tessin, um anschliessend in Zürich sesshaft zu werden. Hier besetzte und pflegte er eine Aussenseiterposition und starb 1972, erst 46-jährig, an seiner Alkoholsucht. Zeitlebens hatte er auf eine kleine Schar Bewunderer, Komplizen und Sammler zählen können, auch wenn er ihnen (wie sich) viel abforderte. Aus der zeitlichen Distanz offenbart sich Kuhns Agieren vor dem speziellen Milieu der damaligen Zürcher und Luzerner Bohème. Diese ermöglichte einen Rückzug nach Innen und garantierte zugleich das Angeschlossensein an Infor-ma-tionen und Impulse mit weitläufigem Anspruch. Die Schweiz der Nachkriegszeit war künstlerisch trotz der beklagten Enge ein anregender Ort mit wichtigen Vermittlern, mit Museen und Kunsthallen, welche durch den Krieg ungebrochen ihre modernen Traditionen aufrechterhalten konnten.   100 WERKE. KUHN WIRKT BIS IN DIE ZEITGENÖSSISCHE KUNST Die von Bice Curiger zusammengestellte Ausstellung bietet mit rund 100 Gemälden, Zeichnungen und Gouachen einen Querschnitt von Friedrich Kuhns Schaffen. Leihgaben aus Museen und privatem Besitz legen die künstlerische Qualität dieses Werks in seinem ganzen Reichtum und unakademischen Gestus offen. Es weist bereits jene Charakteristiken auf, welche die neuere Schweizer Kunst bis in die Gegenwart hinein bestimmen und das Spannungsfeld zum internationalen Geschehen umreissen. Friedrich Kuhn kann als «letzter» derjenigen Künstler betrachtet werden, deren Ausstrahlung regional blieb, da sie nie aus der Schweiz in ein internationales Kunstzentrum ausgewandert sind. Peter Fischli und David Weiss wären dann die ersten, die nie weggehen mussten, um trotzdem von Anfang international wahrgenommen zu werden.   Zur Ausstellung, die von der Stanley Thomas Johnson Stiftung, Theo Hotz und der Stiftung Erna und Curt Burgauer unterstützt wird, erscheint ein Katalog.

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Friedrich Kuhn
Der Maler als Outlaw
Kurator: Bice Curiger