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Gabriele Münter (1877-1962), Malerin und Graphikerin, Mitbegründerin des >Blauen Reiter< und Lebensgefährtin von Wassily Kandinsky, ist jetzt auch als außergewöhnliche Photographin zu entdecken. In einer ersten Ausstellung werden aus einem bisher kaum beachteten Fundus von mehreren Hundert Aufnahmen in ihrem persönlichen Nachlass die Photos der Reise nach Amerika vorgestellt. Diese Reise führte Münter, gerade 21 Jahre alt, zusammen mit ihrer Schwester Emmy von 1898 bis 1900 auf eine ausgedehnte Besuchstour zu ihren Verwandten in den USA.

Auf der über zweijährigen Reise bekam Münter eine Kodak „Box“-Kamera geschenkt, die ihr bald den Zeichenstift ersetzte: Auf annähernd 400 Photos hielt sie die weitverzweigte Verwandtschaft in St. Louis, Arkansas und Texas fest, ihre teilweise noch pionierhaft anmutenden Behausungen und die Landschaften um die Siedlungen. Die später für Münters Malerei und Graphik so charakteristische Fähigkeit, das Gesehene in klaren und reduzierten Umrisslinien treffend wiederzugeben, findet sich in bemerkenswerter Weise auch in den Photos der angehenden Künstlerin. Die Personenphotographie stellt die größte Gruppe der Amerika-Photos dar, analog zu Münters frühem Interesse am Bild des Menschen, das sie auch in Skizzenbuchzeichnungen immer wieder verfolgte, am Anfang „nur auf Ähnlichkeit bedacht.“ Alle ihre Photos von Menschen in den USA bestechen neben der Natürlichkeit und Ungezwungenheit der Modelle auch durch eine Präsenz und Würde, die wesentlich mit der Beziehung der Figuren zu ihrer Umgebung, der Definition ihrer Haltung und Position im Raum zu tun hat. In den Landschaftsaufnahmen fanden die kargen texanischen Plains Münters besonderes Interesse, offenbar reizten sie die Einfachheit der sich überschneidenden Linien und die Weite des Horizonts. Dabei verblüfft häufig auch der eingenommene Aufnahmestandpunkt in einer eher unwegsamen Natur und spricht für die Beweglichkeit, beziehungsweise Bewegungsfreiheit der jungen Photographin. Auch die Technik oder serielle Momente, wie der in verschiedenen Aufnahmen verfolgte Sonnenuntergang über dem Meer, rücken ins Blickfeld ihrer Kamera. Ganz offensichtlich bot die Photographie für Münter auf der Amerika-Reise ein künstlerisches Experimentierfeld, das ihre Begabung zur analytischen Gliederung eines Bildeindrucks in einfache Linien und Flächen entscheidend schulte.

Darüber hinaus eröffnen ihre Photographien einen faszinierenden und seltenen Blick auf Amerika um 1900 und seine Lebensverhältnisse und können auch als erstrangige Dokumente der Zeitgeschichte betrachtet werden, schließlich als Belege einer photographischen Ästhetik, die bereits auf Walker Evans hinausweist.

Pressetext

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Gabriele Münter
REISE NACH AMERIKA
PHOTOGRAPHIEN 1899-1900