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Die Galerie Thomas Zander präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung „Public Relations“ Werke aus der gleichnamigen Serie des amerikanischen Fotografen Garry Winogrand (1928-1984). Es handelt sich um eine Auswahl an bekannten Aufnahmen von Wahlkampagnen, Pressekonferenzen, von Menschenaufläufen während Demonstrationen und Streiks in New York City, von Vernissagen, Empfängen und anderen öffentlichen wie privaten Veranstaltungen der Gesellschaft im Amerika der 1970er Jahre. „Public Relations“ ist Teil eines Projektes, das Winogrand mit Hilfe eines Guggenheim Stipendiums ab 1969 realisierte. Der Fotograf beschäftigte sich darin mit „der Wirkung der Medien auf Ereignisse“, wie Winogrand es nannte. Die Rituale der nach Publicity heischenden Gesellschaft, die der Historiker Daniel Boorstin auch als „Pseudo-Events“ umschreibt, faszinierten Garry Winogrand. Was diese Veranstaltungen für ihn gemeinsam hatten, ist die Tatsache, dass es sich hierbei um Auftritte in der Öffentlichkeit handelt, die den Zweck der Medienwirksamkeit und der Selbstdarstellung erfüllen. Die Aufnahmen repräsentieren die zunehmende Hysterie einer Gesellschaft in den 1970er Jahren, die sich gerne selbst feiert und in welcher die Präsenz der Medien immer mehr an Bedeutung für das öffentliche Leben gewinnt. Mit dieser Fotostrecke hat Winogrand nicht nur den Zeitgeist prägnant festhalten können, sondern auch vorausschauend eine Entwicklung erkannt, die heute aktueller ist denn je.



Wie Diane Arbus oder Lee Friedlander entdeckte Winogrand in den 1960er Jahren die Straße als aufregendes und kreatives Arbeitsfeld — beeindruckt von dem Oeuvre Walker Evans’, der bereits in den 30er Jahren begonnen hatte, Menschen auf der Straße zu fotografieren. In Workshops des legendären Art Directors von Harper’s Bazaar, Alexey Brodovitch, erlernte Winogrand die wichtigsten Grundsätze des modernen Straßenfotografen: der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen anstatt einer standardisierten Bildkonfektion hinterher zu jagen, mit Gefühl statt mit Wissen an die Dinge heranzugehen, mit natürlichem Licht zu arbeiten und Unschärfen im Bild durchaus zu akzeptieren – Regeln, die seinem persönlichen Arbeitsstil perfekt entgegenkamen. So war der sehhungrige, geradezu manisch fotografierende Garry Winogrand ständig unterwegs auf den quirligen Straßen von New York, auf den Highways der USA oder auf den Parties der gehobenen Gesellschaft. Immer auf der Suche nach unkonventionellen Porträts von Berühmtheiten der Zeitgeschichte oder nach Bildern von selbstbewussten jungen Frauen in New York und Beverly Hills, die er zum Beispiel in seiner berühmten Serie „Women are Beautiful“ zusammenfasste.


Seine unerschöpfliche Energie, seine rasende und rastlose Fotografiersucht, die ihn durch die Straßen New Yorks trieb, verließ ihn auch nicht, wenn er auf Reisen war. Allerdings veränderte sich die Perspektive. Winogrand fotografierte nicht mehr als Fußgänger, sondern als Autofahrer und Reisender (viele Aufnahmen entstanden direkt aus den schmalen Fenstern des Wagens heraus). Er fotografierte nicht mehr in den dicht bevölkerten Straßenschluchten Manhattans, sondern in der Weitläufigkeit amerikanischer Landschaften. Dabei entstanden jedoch nicht grundsätzlich andere Bilder: Mit erstaunlicher Behändigkeit erfasste Winogrands geübter fotografischer Blick auch hier unzählige Bildmomente. Es entstanden jene für ihn typischen Bilder von Menschen in öffentlichen Räumen, Bilder, auf denen die Grenzen zwischen Witz und Trostlosigkeit, Einsamkeit und Geselligkeit, Schönheit und Hässlichkeit sich auf atemberaubende Weise aufzulösen scheinen. 30 bis 40 Jahre nach ihrem Erscheinen haben die Aufnahmen nichts von ihrer Spannung, ihrem enormen ästhetischen und erzählerischen Potenzial, ihrer Frische verloren. Zahlreiche dieser Aufnahmen gehören inzwischen zu den Klassikern der Fotografie und sind zu Dokumenten der Zeitgeschichte geworden.