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Georgia O’Keeffe (1887–1986) gehört zu den grossen Figuren der Kunst des 20. Jahrhunderts. Doch assoziiert ein europäisches Publikum ihre Malerei vorwiegend mit den von Postern, Postkarten und Kalendern bekannten grossflächigen Blumengemälden, den totemhaften Tierschädeln oder der mythischen Gestalt der Künstlerin, wie sie in den Fotografien von Alfred Stieglitz erscheint. Selten nur kann ihr Werk im Original betrachtet werden, denn nie hat ein europäisches Museum ein Bild O’Keeffes erworben oder eine eigene O’Keeffe- Ausstellung inszeniert. Die meisten der 74 von Kuratorin Bice Curiger zusammengestellten Gemälde, Kohlezeichnungen, Aquarelle und Skulpturen werden zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum gezeigt.

STIEGLITZ-KREIS O’Keeffes Aufstieg begann 1916 in New York, als sie zum Kreis um den Fotografen Alfred Stieglitz stiess. Die Künstlerin, die 1887 auf einer Farm in Wisconsin geboren wurde und ihr Leben zurückgezogen in New Mexiko beendete, lebte zwar in diesem von Männern dominierten Künstlerzirkel, setzte sich jedoch in ihrer Haltung und im künstlerischen Ausdruck deutlich ab. Einer künstlerischen Bewegung, einer Gruppe, hat sie sich nie angeschlossen. Ihr Werk folgt keiner Stilentwicklung, sondern lässt sich allenfalls in Motivgruppen und Lebensabschnitte gliedern.

EINFLÜSSE DER EUROPÄISCHEN UND AMERIKANISCHEN MODERNE Früh nahm Georgia O’Keeffe verschiedene Einflüsse, darunter jene der europäischen und amerikanischen Moderne, später auch der Eingeborenenkultur auf, um einen die fotografische Optik integrierenden eigenen Weg in der Malerei zu finden und sich von der europäischen Tradition abzusetzen. In der brodelnden Aufbruchstimmung New Yorks am Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr sie ihre künstlerischen Erfolge, malte in kühnen Formen und Farben die ersten zum Himmel wachsenden Wolkenkratzer oder Blumen in format-füllendem, extremem Nahblick. Gleichzeitig knüpfte sie innere Bande zur Wüste New Mexikos, deren Weite und Offenheit sie zu grossartigen Landschaftsbildern inspirierte. Die Reduktion auf das Wesentliche, das Zusammenführen von Nahblick und Fernsicht, Monumentalität und Intimität werden für O’Keeffes Werk charakteristisch. Ihre Stilisierungen können als Vorläufer der «Pop Art» gesehen werden.

PSYCHE, MENSCH UND ZEITBEZUG In allen Bildern O’Keeffes ist der Mensch abwesend. Doch nicht das ihn Prägende. Es herrscht ein Schwebezustand zwischen persönlich und überpersoÅNnlich, zwischen kollektiv und individuell, zwischen Körperbezug und Vergeistigung. In den faltigen, gegen den Himmel gesetzten Landschaften New Mexikos, den Fassaden wie Schatten, den Variationen von Kreuzen, Tier- und Pflanzenfragmenten sind Zeitbegriffe enthalten: Die Blumen stehen für das Ephemere, der Himmel und die geologischen Formationen für das Ewige, während die Architektur sowie die Schädel und Knochen für das dazwischen Liegende, das Hinfällige stehen. In den monumentalen späten Wolkenbildern scheint sich Georgia O’Keeffe buchstäblich über alles hinwegzusetzen: alles ist offen und von innerem Licht erhellt.

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Georgia O´Keeffe
Kuratorin: Bice Curiger