press release only in german

Villa Salve Hospes

GEORGIA SAGRI GEORGIA SAGRI
2. Dezember 2017 – 11. Februar 2018
Presserundgang: 1. Dezember 2017, 11 Uhr
Eröffnung: 1. Dezember 2017, 19 Uhr
02.12.2017, 11 – 17 Uhr, Do Jaguar, Performance, 2009/2017
03.12.2017, 14 Uhr, Lesung Thanos Stathopoulos

Die Ausstellung GEORGIA SAGRI GEORGIA SAGRI geht über eine bloße Präsentation der Arbeiten der Künstlerin (*1978, Athen, GR) hinaus. Die Skulpturen existieren für die Dauer der Ausstellung als Gäste, als selbständige Einheiten im Gebäude, ohne sich einfach nur den Räumen anzupassen. Die Ausstellung besteht aus sieben großen Skulpturen der multidisziplinären Praxis Georgia Sagris der letzten acht Jahre. Manche manifestieren sich oder kündigen sich an in der Ästhetik von Außenwerbung wobei sich ihre Lesart nicht nur als Wissen vermittelt, sondern auch als Deklarierung.

Dennoch lehnt sich die Installation an die Idee des Grundrisses der 1808 erbauten neoklassizistischen Villa Salve Hospes an: Die Struktur der Räume, die von der palladischen Architektur geprägt ist, erlaubt eine uneingeschränkte Sicht. Beim Betreten des Gebäudes wird der Blick auf den Garten und die Seitenflügel des Gebäudes gewährt, die Rotunde schlägt kreisförmige Bewegungen vor, die Blickachsen betonen die Symmetrie der Proportionen des linken und rechten Flügels des Gebäudes. Diese auf das Gleichgewicht ausgelegte Raumstruktur wird in Sagris Skulpturen, welche gedoppelt auftreten, befragt. Einige der Arbeiten sind entlang der vertikalen Achse geteilt (Working the No Work, 2012), während sich wiederum andere einander gegenübergestellt (Documentary of Behavioural Currencies, 2016) oder im Innen und Außen platziert sind (Dynamis, 2017). Sie führen die konsistente Absicht von Sagris Arbeiten weiter, Dichotomien aufzulösen.

Sagri beschreibt ihre Skulpturen als „Module“. „Modul“ ist für sie die Idee der mitgedachten Möglichkeiten der multiplen Bedeutungen von Objekten in Räumen und dem Einfluss von Raum auf ein Objekt. Indem sie das Singuläre ablehnt, richtet sie sich auch gegen Hierarchien zwischen dem Objekt und seinen räumlichen Bestimmungen. Die Skulpturen werden so zu Orten, die die BesucherInnen befähigen über sie, ihre Wahrnehmung und ihre Existenz nachzudenken. Die Fragen nach dem, was Dinge und Räume, deren Zuschreibungen und Verhältnisse ausmachen, setzt Sagri durch das Material und seine inhärenten Informationen sowie die Form der Skulpturen als quasi materialisiertes Gedankenexperiment um. Gedankenexperimente sind dabei Hilfsmittel, um sich gedanklich mit Thesen auseinanderzusetzen, für sie zu argumentieren oder zu widerlegen. So wird zum Beispiel die Frage nach Privatheit und Öffentlichkeit als Frage von Innen und Außen diskutiert, indem Georgia Sagri diese Situationen als Skulptur in Form einer Mauer und deren Dazwischen herstellt (Snout is Wall and Wall is Snout, 2014).

Auch in Sagris fortlaufender Beschäftigung mit Performance ist es die Mimesis, d.h. die nachahmende Darstellung von Handlungen, in der der Körper mehr noch als die Sprache einem „Anderem“, dessen Gesten oder Traditionen nahekommt. Die im Kunstverein Braunschweig gezeigten Skulpturen mögen eine Performance als ein Element gehabt haben, durch ihre modulare Existenz jedoch behalten sie auch darüber hinaus eine Performativität bei, die die BetrachterInnen und ihre Bewegung mit einbezieht. Die Skulpturen selbst formen in sich ein Innen und Außen und kreieren durch ihre Materialität und Form spezifische Situationen. Die Idee bestimmt das Material und die Struktur, die sich in Georgia Sagris Skulpturen immer bedingen, so dass die Skulpturen in sich eigene Systeme aus Material und Formkodierung hinsichtlich der Arbeit sind.

Das Logo (Loquimini, 2017) ist als Kommunikationsmittel für die Ausstellung entstanden. Es taucht außerhalb des Gebäudes auf, in den Straßen und in der Presse. Es besteht aus angedeuteten Bewegungen, die aus Streifen einer griechischen Tageszeitung collagiert wurden, die über die Wahlen in Deutschland im September 2017 berichtet. Zeit – Gegenwärtigkeit – und Bewegung kommen zusammen als vier Dimensionen, die durch die Zeitungsstreifen angedeutet werden und sich in der Dynamik, die die Arbeiten in der Villa Salve Hospes vorgeben, wiederfinden.

Georgia Sagri (*1979, Athen, GR) lebt und arbeitet in Athen und New York. Sie studierte an der Hochschule für Bildenden Künste in Athen und der Columbia Universität in New York. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen internationalen Ausstellungen zu sehen, u.a. auf der documenta 14, Kassel und Athen (2017), bei der Manifesta 11, Zürich (2016), im Sculpture Center, New York (2015), in den Kunst- Werken Berlin – KW Institute for Contemporary Art (2015), im Museum für Moderne Kunst, Warschau (2014 und 2015), in der Kunsthalle Basel (2014) sowie auf der 14. Istanbul Biennale (2015), der Lyon Biennale (2013) und der Whitney Biennale, New York (2012). Sie ist Gründerin des Audio-Magazins FORTÉ sowie des kuratorischen Projekts SALOON und initiierte 2014 den halböffentlichen Projektraum ΥΛΗ[matter]HYLE in Athen.

GÄSTEZIMMER: Thanos Stathopoulos
Auf Einladung von Georgia Sagri wird der griechische Poet Thanos Stathopoulos (*1963, Athen, GR) Gedichte seines noch nicht veröffentlichten Bandes The Hour präsentieren. Das Gästezimmer wird damit zur Plattform der Präsentationen des bislang international noch unbekannten Oeuvres.

Kuratorin: Christina Lehnert
Kuratorische Assistentin: Miriam Bettin