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Mit der Ausstellung „Gerhard Richter. Übermalte Fotografien“ präsentiert das Museum Morsbroich erstmals einen nahezu unbekannten Strang im Werk des weltberühmten Künstlers. Die rund 500 Arbeiten der Ausstellung aus den Jahren 1986 bis 2008 stammen fast ausnahmslos aus Privatbesitz und belegen, wie sich über einen langen Zeitraum und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit die umfangreiche Gruppe der Fotoübermalungen zu einem faszinierenden Werkblock entwickelt hat.

Gerhard Richter hat die Technik der Fotoübermalung durch Zufall entdeckt: Als er Fotografien und Zeitungsausschnitte als Vorlagen für seine Ölgemälde benutzte, sind ihm während des Malens und beim Abgleich der Farbwerte immer wieder Ölfarben auf die Fotos getropft. Die dabei entstandenen Farbeffekte und die Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen Medien Fotografie und Malerei haben Richter dazu angeregt, mit dieser außergewöhnlichen Kombination intensiv zu experimentieren und sie zu einer eigenständigen Werkgruppe auszubauen.

In der Regel verwendet der Künstler für seine Übermalungen handelsübliche Fotoabzüge in der Größe von 10 mal 15 Zentimetern. Die Fotos entstehen im Familien- und Freundeskreis, im Urlaub und auf Reisen, während der Suche nach Motiven für seine Gemälde oder einfach beim Spazierengehen. Richter fertigt jedes Jahr Tausende von Fotos an, von denen all diejenigen, die nicht in das private Fotoalbum aufgenommen oder weiter verarbeit werden, in einer großen Kiste landen. An manchen Tagen, an denen Richter mit dem Rakel abstrakte Ölbilder geschaffen hat, holt er einige ausgewählte Fotografien wieder hervor und fertigt mit den noch nassen Farbresten seine Übermalungen an.

Richter zieht die Fotos durch die Ölfarbe, schiebt die Farbe zu dicken Wülsten auf, verwischt sie und erzielt auf diese Weise surreale Farbschlieren, drückt die Fotos flach auf den Rakel und hebt sie vorsichtig wieder ab, so dass sich die zähe Farbe zu vielfältigen, gezackten Farbinseln erhebt. Bisweilen geht der Künstler noch einmal mit dem Spachtel durch die nasse Masse. Dabei entsteht ein fantastisches Wechselspiel zwischen den beiden Realitäten Fotografie und Malerei: Die dokumentarische Form des Fotos und der ungegenständliche Charakter des Farbauftrags kommentieren sich gegenseitig und zeitigen eine märchenhafte Flut von Assoziationen und Bildsensationen.

„Beim Betrachten dieser übermalten kleinen Bilder in der Größe von Schnappschüssen, die ich wie Karten durchmischen könnte, wenn ich sie je in die Hand bekäme, dachte ich: Sie sind so schön. (…) Ich war entzückt von den Farben der Übermalung und des Bildes darunter, und als ich mit der Betrachtung fortfuhr, wurde ich wehmütig, traurig, amüsiert, verwirrt, erstaunt, und manchmal überkam mich ein Gefühl eines schmerzlichen Verlusts. Einige Male habe ich laut gelacht. Ich war die ganze Zeit fasziniert.“ (Siri Hustvedt in ihrem Essay für den Katalog)

Kurator: Markus Heinzelmann, Katalog: ca. 224 S., 240 Farbabb.

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Gerhard Richter. Übermalte Fotografien
Kurator: Markus Heinzelmann

Stationen:
19.10.08 - 18.01.09 Museum Morsbroich, Leverkusen
20.02.09 - 12.04.09 Centre de la Photographie, Genf