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Wim Delvoye Mit einem großen "Mosaik" aus weißen Keramikkacheln, dessen Dekor schön geordnete Schnörkel aus Exkrementen zeigt, wurde Wim Delvoye (*1965 in Wervick/B) 1992 bei der documenta 9 auch außerhalb Belgiens bekannt. Bis heute verbinden seine Werke somit Gegensätze nicht nur ästhetischer Natur. Ob ein in Indonesien von einheimischer Hand nach Delvoyes Plänen in Teak geschnitzter Zementmischwagen - originalgroß, 7 Tonnen schwer, überbordend von pseudo-barocker Ornamentik - ob Bauschaufeln, bemalt mit Phantasiewappen: Seine Werke lenken den Blick auf Rituale des Alltäglichen, auf die Aneignung von Zeichen, auf Umdeutung, (Sinn)Entleerung und -Setzung. Es umgibt sie ein Netz von Bedeutungen und Verweisen, die sich widersprechen, aufheben, gegenseitig in Gang setzen. Obwohl oft massive, solide gearbeitete Objekte, erzeugen sie den Eindruck eines spielerischen, ironisch unterlegten Gedankenflusses, in dem vieles zusammenströmt. Dem einen höchst anregend lebendig, dem anderen ein "unverdauliches" Gemenge: Delvoyes Werk polarisiert, es ruft ebenso Heiterkeit wie Skandal hervor.

Die Ausstellung im museum kunst palast, die in leicht veränderter Form auf Tournee gehen wird, zeigt u.a. drei der neuesten großformatigen Werke von Delvoye, darunter als einen Höhepunkt "Cloaca", eine 12 Meter lange Maschine, die den menschlichen Verdauungsvorgang künstlich reproduziert. Fütterung und Stuhlgang täglich zu festen Stunden während der Öffnungszeiten.

Ghada Amer Bestickte Leinwände, die zwischen Abstraktion, Schrift und Bildmotiv oszillieren, stehen im Zentrum des Werkes von Ghada Amer. Die 1963 in Kairo geborene Künstlerin, die in Paris aufwuchs und heute in New York arbeitet, hat mit ihrer Verbindung von Faden und Farbe eine unverwechselbare Bildsprache geschaffen. Ihre Werke waren auf den Biennalen von Istanbul (1995), Johannesburg (1997), Venedig und Santa Fe (1999), Kwangju und Lyon (2000) sowie auf der Whitney Biennale in New York (2000) zu sehen. Das museum kunst palast zeigt eine Auswahl wichtiger Arbeiten aus dem in der letzten Dekade entstandenen malerischen und zeichnerischen Werk von Ghada Amer. Während auf frühen Bildern oft arbeitende Frauen in klassischen Umrisslinien wiedergegeben sind, wird seit Mitte der neunziger Jahre nachdrücklich die Sexualität thematisiert.

Der Sinnlichkeit des tachistischen Farbauftrags korrespondieren die Motive, die erst aus der Nähe sichtbar werden. Ghada Amers Gemälde wirken aus der Ferne wie eine ungegenständliche Symphonie aus Farbverläufen und herabhängenden Fäden. Beim Herantreten jedoch enthüllen sich erotische und pornographische Sujets, mit denen Fragen der Geschlechterrollen thematisiert werden.

Durch die Wiederholung der Motive entsteht ein Muster. Gestischer Ausdruck und serielle Reihung sind bei Ghada Amer keine Gegensätze mehr. Ihr geht es um einen malerischen Diskurs ebenso wie um inhaltliche Fragestellungen, welche auf die sozialen Phänomene der Gegenwart Bezug nehmen.

Die Ausstellung des museum kunst palast, die zuvor im Henie Onstad Kunstsenter bei Oslo zu sehen war, wird von einem zweisprachigen Katalog in deutsch und englisch begleitet.

Liza Lou Perlen sind das Medium der Künstlerin Liza Lou, die 1969 in New York geboren wurde. Als ihre Lehrer auf der Kunstakademie sie wegen dieser besonderen Vorliebe für ein Material kritisierten, das dem Bereich des Kunsthandwerks und Kitschs zugeordnet wird, entschied sich Liza Lou für die Perlen, verliess die Akademie und ging ihren eigenen Weg.

Seit einem Jahrzehnt entstehen Nachbildungen alltäglicher Räume, die aus bunt glitzernden Perlen und Pailetten angefertigt sind. Im museum kunst palast sind die beiden grossformatigen Hauptwerke von Liza Lou, "Kitchen" (1991-95) und "Back Yard" (1995-97), zu sehen. Eine Küche mit Spüle, Kühlschrank und allen dort zu findenden Utensilien ist ebenso detailgetreu nachgebaut wie der durch das Fenster zu sehende Hinterhof mit Blumenbeeten und Barbecue. Hatte die Künstlerin "Kitchen" in fünfjähriger mühevoller Arbeit alleine zusammengesetzt, so entstand "Back Yard" unter der Mithilfe von Freiwilligen im Santa Monica Museum of Art als ein gemein- schaftliches Kunstprojekt.

Liza Lou verzaubert die Realität durch die Materialsensibilität ihrer Arbeiten, doch ist ihr Werk auch als ein Kommentar zum "amerikanischen Traum" einer heilen Lebenswelt der Mittelschicht zu lesen. Die glitzernde Warenästhetik der westlichen Konsumwelt ist ebenso Thema wie die weibliche Arbeit und die ihr zugewiesenen Tätigkeitsfelder. Dies bezieht sich auch auf die traditionell hierarchische Trennung zwischen Kunst, Kunstgewerbe und Populärkultur. Zur Ausstellung liegt ein Katalog in englisch vor, dem deutsche Übersetzungen beigefügt werden.

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Ghada Amer - Wim Delvoye - Liza Lou
Kurator: Jean-Hubert Martin