press release only in german

Gegenwartskünstler beziehen sich in ihren Arbeiten vermehrt auf die jüngere und ältere Kunstgeschichte. Insbesondere das Werk des spanischen Malers Francisco de Goya (1746–1828) wird in den letzten Jahren neu entdeckt: Groteske Verzerrungen, fratzenhafte Figuren und sonderbare Deformationen der Wirklichkeit kennzeichnen in Anlehnung an Goya verschiedene Bildwelten aktueller Kunst.

Kriegsthematiken und Stereotypen von Soldaten sind dabei auffällig: Maskiert mit Sturmhauben treten die Protagonisten von heute zum Kampf an, anmutig und schockierend zugleich. Heftige Reaktionen lösten vor einigen Jahren die Brüder Jake und Dinos Chapman (1966 in Cheltenham, 1962 in London) aus, als sie Goyas Grafik-Zyklus »Los Desastres de la Guerra« (Die Schrecken des Krieges, 1810–1820) übermalten und ausstellten. Ihr Werk mit teils karikierenden Fratzen zeigt den radikalsten Versuch, »Die Schrecken des Krieges« in die Gegenwart zu transformieren.

Goya selbst hat seine Grafikfolgen immer wieder neu gegliedert und gruppiert. Er griff auf bestimmte Leitmotive zurück und variierte sie, wobei er die Grenzen zwischen Realem und Traumhaftem in »Los Caprichos« (Die Launen, 1793–1799) zu verwischen begann. Vielfältige Variationen von Monstern und Phantasmen entstanden. Figuren wurden zu Hybriden. Ähnlich collagiert Nadine Maria Rüfenacht (*1980 in Burgdorf) in beispielhaft bizarre, teils dämonische, teils verträumte Mischwesen.

Goyas Vorliebe für Rollentausch – Opfer werden Täter, Täter werden Opfer – ist ebenso Thema heutiger Künstler und Künstlerinnen. Stets wird mit neuen Konstellationen und Verknüpfungen experimentiert. Zyklisches und sprunghaftes Formendenken charakterisiert daher nicht nur Goyas Arbeiten auf ganz besondere Weise, sondern setzt sich in den Gruppierungsverfahren von Marcel Dzama (1974 in Winnipeg), Michael Pfrommer (1972 in Leonberg), Cornelia Renz (1966 in Kaufbeuren) oder Gitte Schäfer (1972 in Stuttgart) auf ungeahnte Weise fort.