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«Ground floor America» ist der Name eines 1936 verfassten Reiseberichts des sowjetischen Autorenduos Ilf und Petrow. Als Sowjetschriftsteller fuhren sie zu Zeiten der Großen Depression in offizieller Mission durch die USA und beschrieben mit ihrem typischen Humor auf satirische Weise amerikanische Kultur und Lebensweise. Dabei kritisierten sie nicht nur die amerikanische Wirklichkeit in den 1930er- Jahren, sondern auch die sowjetischen Vorurteile gegen den «dekadenten amerikanischen Kapitalismus». Die Ausstellung «Ground floor America» nimmt Ilfs und Petrows Buch als Ausgangspunkt für eine Befragung des Begriffs «kuratorische Recherche» innerhalb des breiteren Rahmens kultureller Übersetzung. Sie wirft einen Blick auf die Parallelen zwischen den Wirtschaftskrisen der 1930er-Jahre und heute, bei denen eine jeweils aufgeblähte liberale Ökonomie den bisher selbstverständlichen gesellschaftlichen Konsens aushöhlen konnte. Heute wie damals hatte die Wirtschaftskrise eine massive Wendung der (europäischen) Wählerschaft nach rechts zur Folge. Der konservative Backlash nach 1989, der Abbau des Wohlfahrtsstaats, überzogene Anti-Terror-Gesetze und die Halbwelt von «Security»-Firmen machen nun nach und nach alles zunichte, was in zwei Jahrhunderten emanzipatorischen Ringens aufgebaut wurde. «Ground floor America» handelt von den kuratorischen Recherchen des KuratorInnenkollektivs WHW während der zweijährigen Vorbereitungen der 11. Internationalen Istanbul Biennale (September bis November 2009). Diese führten das Kollektiv in die Regionen des Mittleren Ostens, Zentralasiens, Osteuropas und des Kaukasus, die alle in verschiedener Ausprägung mit der ihnen aufgezwungenen und/oder internalisierten «Randstellung» in Bezug auf das modernistische Projekt des Westens und der Sowjetunion zu kämpfen haben. In all diesen Regionen steht die zeitgenössische Kunst in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Vorstellung «authentischer», «autochthoner» Nationalkulturen. «Ground floor America« richtet sich gegen eine zunehmende kuratorische «Professionalisierung», die rein der Organisation der Ausstellung gilt und jede Wissensproduktion außer Acht lässt, die über das Suchen und Interpretieren von Information hinausgeht. Ebenso zeigt die Ausstellung die beabsichtigten und unbeabsichtigten Effekte von Ideologien im kuratorischen Prozess auf, und fokussiert damit auf jene Elemente «kuratorischer Recherchen», die hinter der internationalen Zirkulation von Gegenwartskunst verborgen bleiben. Die Ausstellung «Ground floor America» kritisiert die hegemonialen Verhältnisse in der kulturellen Geopolitik und untersucht diverse Gegenstrategien. Sie behandelt Fragen nach der Diskrepanz zwischen der lokalen und internationalen Rezeption von Kunst und hinterfragt die Möglichkeit, ob unter den weltweiten Bedingungen kultureller Produktion von heute überhaupt Wissen geschaffen werden kann.

What, How & for Whom/WHW ist ein KuratorInnenkollektiv, das 1999 gegründet wurde und dessen Mitglieder in Zagreb leben. WHW sind Ivet Curlin, Ana Devic, Nataša Ilic, Sabina Sabolovic und der Grafikdesigner und Publizist Dejan Kršic´. WHW organisiert eine Reihe von Produktionen, Ausstellungen und Publikationen und leitet die Galerie Nova im Zentrum von Zagreb. Was, wie und für wen sind die grundlegenden Fragen jeder ökonomischen Organisation, sie betreffen sowohl die Planung, das Konzept und die Realisierung von Ausstellungen als auch Herstellung und Distribution von Kunstwerken und die Stellung der KünstlerIn auf dem Arbeitsmarkt. Diese Fragen bildeten die Grundlage für WHWs erstes Projekt zum 150. Jahrestag des Kommunistischen Manifests im Jahr 2000 in Zagreb. Sie wurden zum Motto von WHWs Arbeit und gaben dem Kollektiv seinen Namen. 2002 publizierte WHW Brian Holmes’ erstes Buch «Hieroglyphs of the Future».

Ground floor America Eröffnung und Kuratorengespräch: 13. Januar, 18 Uhr Ausstellung: 14. Januar bis 26. Februar

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Ground floor America
Kuratoren: WHW 

Künstler: Inci Furni, Yüksel Arslan, Vyacheslav Akhunov, Jinoos Taghizadeh ...