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Der Baarer Guido Baselgia (geb. 1953) machte sich als hervorragender Reportagefotograf (u.a. für die NZZ und den Tagesanzeiger) einen Namen. In den 90er Jahren begann er seinem Lebensraum Zug intensiv zu erforschen und publizierte dazu zwei Bücher („Zug“, Rotkreuz 1994; „ZugStadt“, Bern 1998). Die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Zug ist zwei neuen Projekten Baselgias gewidmet. Es werden Werke aus dem Zyklus „hochland“ (1999-2001) sowie rund 50 Bilder der neuen Serie „weltraum“.

Baselgias intensive Auseinandersetzung mit seiner Herkunftsregion, dem Engadin, gab seiner Fotografie die entscheidende Wende. Den anfänglichen Bericht von der Verstädterung der Alpen brach er bald ab, da er im Gletschergebiet eine neue Bild-Welt entdeckte. Jenseits millionenfach gemalter und abgebildeter Landschaftspanoramen spürte er der Natur im Kleinen nach. Brennpunkte erdgeschichtlicher Anfänge interessierten ihn. Die Verengung des Blicks bedeutete eine Befreiung. Das Vertraute erscheint isoliert unerwartet fremd, faszinierend und neu.

Die weitere Suche nach ‚relevanten Bildern’ (Baselgia) angesichts der heutigen Bilderflut führte den Künstler auf mehreren Reisen über Tausende von Kilometern in den Norden Finnlands und Norwegens zwischen Polarkreis und Barentssee. Er traf auf eine unendlich weite und gleichförmige Urnatur. Im Gegensatz zum Engadin, wo es um das Fremde im Vertrauten ging, wollte er im Fremden allmählich vertrauter werden: Gestein, Eis, Schnee, Wasser, Flechten, Moos, Gras, Sträucher, Krüppelbirken, Kiefern, Fichten, Nebel, Wind und die tiefe Sonne sind die Protagonisten der kalten Wüste (ohne Menschen). 3100 Millionen Jahre Erdgeschichte sind nach dem Rückgang der Gletscher konserviert gegenwärtig.

Baselgia versuchte, die traditionelle Landschaftsfotografie zu überwinden, was die nordische Minimal-Natur förderte. Seine Bilder unterlaufen die Fixierung von Raum und Betrachterauge und evozieren einen gleitenden Blick in einem wogenden Raum. Momentaufnahmen wechselnder Naturkonstellationen bzw. eines sich bewegenden Fotografen. Bei aller Tiefenschärfe entsteht eine räumliche Verunklärung. Oft verliert sich der Blick in der unbegrenzten Tiefe, wobei auch der eigene Standort in Frage steht. Stehen oder fliegen wir? Nah- und Fernsicht fliessen auf der Bildebene zusammen. Die sachlich-präzisen Aufnahmen verleihen den einfachen Motiven eine Vieldeutigkeit. Im Flechtenteppich wähnt man den Kosmos, während die aus der Luft fokussierte zarte Erdoberfläche wie die verletzliche Haut des eigenen Körpers anmutet. Bisweilen wähnt man sich gar auf dem Meeresboden oder auf dem Mars. Mit der Vieldeutigkeit entgrenzen sich die Ansichten zum geheimnisvollen „weltraum“.

Die Bilder zeugen von einer urzeitliche Welt der Anfänge, als Erde und Wasser sich eben trennten, Hügel gefaltet wurden, Eis Gestein mannigfach formte und einfachste Arten pflanzlichen Lebens in der Ödnis heimisch wurden. Sie nähern Natur und Subjekt einander an, indem sie sie paradoxerweise in der Schwebe lassen. Beide sind unverortbar im Dazwischen situiert. Schwebe auch als mentaler Zustand – als Wach-Traum. Die Imagination scheint die Motive ebenso durchdrungen zu haben wie diese beim Betrachter Assoziationen wecken. Die Ahnung immenser Zeitdimensionen wächst. Flüchtige Augenblicke berühren die Urzeit. Sehen wir eine elementare Zwischenwelt vor oder gar nach dem Menschen, Genesis oder Apokalypse? ‚Ein Plus-Minus-Null des Seins’ (Baselgia). Matthias Haldemann

Zur Ausstellung erschien von Guido Baselgia das Buch „Weltraum“, herausgegeben vom Kunsthaus Zug mit einem Text von Matthias Haldemann, Verlag Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2004. Pressetext

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Guido Baselgia - weltraum
Aufnahmen des Baarer Fotografen in der menschenlosen Natur im Norden Finnlands und Norwegens, zwischen Polarkreis und Barentsee