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Günther Förg, 1952 in Füssen geboren, lebt heute im schweizerischen Colombier bei Neuchâtel. Von 1992 bis 1998 lehrte er an der Kunstakademie Karlsruhe, seit 1999 an der Akademie der Bildenden Künste München. Er zählt zu den international renommiertesten und vielseitigsten deutschen Künstlern der Gegenwart.

Seine Kunst demonstriert eine hohe Risikobereitschaft gegenüber den Vorgaben der künstlerischen Gattungen, die er unterläuft und deren eindeutige Zuordnung er konsequent verweigert. Jede Ausstellung — z. B. Kunsthaus Bregenz 2001, Museo Nacional Reina Sofia Madrid 1998, Museum Ludwig Köln 1996, Musée d’Art Moderne Paris 1991 — zeigt immer wieder neu und anders, wie überraschend er mit den künstlerischen Disziplinen umgeht und wie spielerisch und frei er sie kombiniert. Günther Förg versteht sich als ein »Spannungsträger«, da sich seine »Kunstfelder« in einer extremen Bandbreite entwickeln. Vor allem sucht er einen hohen Wirkungsgrad für seine Kunst, ihre breite Rezeption. Schon deshalb umfasst sein Oeuvre Malerei (einschließlich Wandmalerei), Fotografie (Architektur, Porträts), Skulptur und Grafik, zwischen denen er sich souverän bewegt: Grenzüberschreitungen sind ein wesentliches Charakteristikum seiner Kunst.

Seine großformatigen Fensterbilder oder auch seine Wandmalereien lassen sich als Öffnung in die Wirklichkeit begreifen und laden zu einer Reise ins Ungewisse ein. Vor ihnen wird deutlich, warum man Günther Förg einen »expressionistischen Romantiker« nannte. So sehr sich in ihnen das Medium Malerei selbst thematisiert, zwischen Fläche und Raum, freier Farbsetzung und Gegenstandsbindung changiert und sich der Blick verliert, so sehr bleiben konstruktive und minimalistische Prinzipien gewahrt, eine realistische, konkrete Verortung der Malerei, die in seinen zeitgleich entstehenden Fotografien genauso überzeugend zum Ausdruck kommt.

Überhaupt bilden filmische und fotografische Sehweisen eine wesentliche Grundlage seiner künstlerischen Weltsicht.

Seine großformatigen Fotografien der Bauhausarchitekturen in Tel Aviv und Istanbul oder des neuen Bauens in Moskau sind nicht nur kühne Architekturaufnahmen, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den sozialen Utopien des Bauhauses, sowie deren Aushöhlung und Gefährdung. Zwar fanden die zur Emigration gezwungenen, d. h. aus Deutschland vertriebenen Architekten in der Fremde eine neue Plattform, auf der sie das moderne Bauen nicht nur als innere Haltung, sondern als gebaute Weltanschauung realisieren konnten (um so den frühen Migrationsprozessen des 20. Jahrhunderts einen architektonischen Ausdruck zu geben), doch wurden und werden ihre Ideale nach und nach von Unwissenheit und den banalen Bedürfnissen der Bewohner überwuchert.

In seiner großen Fotoserie des IG-Farben-Hauses, 1931 von Hans Poelzig in Franfurt am Main erbaut, zeigt er vornehmlich Innenräume und beschwört eine Atmosphäre der Kälte und Unwirtlichkeit, zu der die Moderne auch werden kann. Förgs Blickwinkel lädt die Architektur emotional auf und ruft nicht zuletzt die unheilvolle Geschichte der IG-Farben während der Nazi-Diktatur wach. Architektur wird durch die Geschichte korrumpiert und bietet dieser gleichzeitig einen ebenso adäquaten wie willfährigen Rahmen.

Für Günther Förg bilden die Bedingungen der Ausstellungsarchitektur dazu zählt er auch deren Geschichte einen unverzichtbaren Fokus jeder Ausstellungskonzeption und für die Inszenierung des Blicks. Der Betrachter tritt so in ein »Gesamtkunstwerk« ein, das durch seinen hartnäckigen Antiformalismus einen unverbrauchten und teilnehmenden Blick erlaubt. »Es ist ganz einfach: Man macht etwas. Man schaut sich einen Raum an und überlegt sich etwas dazu. Es gibt hunderte von Möglichkeiten, hier etwas zu machen, und eine davon nimmt man. Es sind immer wieder diese Kleinigkeiten und Zufälle, die diese Arbeit bestimmen.« (Günther Förg: »Für Erich von Stroheim und Details in seinen Filmen«, München 1984).

So lakonisch wie Günther Förg hier seine Arbeitsweise, seinen Zugriff auf die verschiedenen Disziplinen und das vorhandene Material beschreibt, so lakonisch hat er auch seine künstlerische Haltung beschrieben: »Es ist mir überaus wichtig, Naivität zu bewahren. Immer wieder in etwas reinzurutschen, aus einer Not eine Tugend zu machen.« Das bedeutet Spontaneität, Schnelligkeit (auch in der Auseinandersetzung mit Vorbildern), intuitive Entscheidung, um die Grenzen vorgegebener »Kunsträume« aufzubrechen, aber auch Angstfreiheit vor einem möglichen Scheitern angesichts des Unerprobten und Unversuchten.

Günther Förg arbeitet nicht primär an einem einzelnen Werk sondern immer in Werkgruppen, die als Ganzes besonders eindringlich sind. In den Serien und Reihen demonstriert er »das Nebeneinander ähnlicher Prinzipien« und einen spielerischen Umgang mit der jeweiligen Gattung. Von keinem anderen Künstler gibt es so viele Werkverzeichnisse und abgeschlossene Komplexe von Arbeiten wie von ihm.

Für die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2004 bildet die Kriegsarchitektur der Kunsthalle Recklinghausen, ein ehemaliger Hochbunker, die äußere Bedingung. Das subversive Potential ihrer Geschichte soll durch die künstlerischen Interventionen Günther Förgs in besonderer Weise aufscheinen.

Nahezu alle in der Kunsthalle gezeigten Arbeiten gehören zu neueren Serien, die z. T. speziell für die Ausstellung in Recklinghausen entstehen, wobei auch hier das Prinzip der »Ökonomie des Blicks und der Kreuzung der Disziplinen« gilt: Über die drei Etagen des Hauses bietet Günther Förgs Ausstellung in Recklinghausen einen weiträumigen Blick auf die Wechselwirkungen der Disziplinen Malerei, Skulptur und Fotografie, ihr Zusammenspiel und ihre Widersprüche.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit 256 Seiten Umfang, Hardcover, Leinen, Schutzumschlag zum Preis von 21,- Euro sowie eine Fotoedition, DIN A 4 auf DIN A 3, Pigmentdruck auf Bütten, 6 Motive, Auflage je 25 Exemplare. Pressetext

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Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2004
Günther Förg - make it new
Ausstellungsleitung: Ferdinand Ullrich, Hans-Jürgen Schwalm
Zur Einführung spricht: Rudi Fuchs