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16.09.2022 – 15.01.2023

Gurlitt. Eine Bilanz

Bilanz ziehen heisst Rechenschaft ablegen.

Im November 2014 hat das Kunstmuseum Bern das Erbe von Cornelius Gurlitt (1932–2014) angenommen. Damit ging die Verantwortung für einen historisch belasteten Kunstbesitz an das Kunst museum Bern über. Die Existenz der rund 1’600 Kunstwerke war 2013 öffentlich bekannt geworden. Die Werke stammen aus der Hinterlassenschaft von Cornelius Gurlitts Vater, des Kunsthistorikers und Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895–1956). Bekannt war, dass Gurlitt während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland (1933 –1945) und im Auftrag des NSRegimes mit Kunst gehandelt hatte.

Der Verdacht auf nationalsozialistische Raubkunst veranlasste mehrjährige Forschungsarbeiten. Die Recherchen beschäftigten Teams in Deutschland und der Schweiz. Es stellte sich heraus, dass mehr als 1’000 Kunstwerke des Legats Gurlitt nach 1933 durch Kunsthandel in den Besitz von Hildebrand Gurlitt gekommen waren.

Im Dezember 2021 nahm das Kunstmuseum Bern mehr als 1’600 Werke aus dem Legat Gurlitt definitiv in seine Sammlung auf. Fünf Werke wurden zuvor an die Bundesrepublik Deutschland übergeben. Weitere neun Kunstwerke wurden seit 2011 restituiert. Zwei Werke wurden den Nachfahren von zwei Familien übergeben, dies im Sinne einer «gerechten und fairen Lösung» gemäss der «Washingtoner Prinzipien» von 1998.

In dieser Ausstellung zeigen wir die Herausforderungen unserer Zeit im Umgang mit Kunst werken und ihrer Geschichte. Wir geben Einblick in acht Jahre Forschung an einem historisch belasteten Erbe.

Kuratorin: Nikola Doll.
Kuratorische Assistentin: Anne-Christine Strobel

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Sept. 2010
Nach einer Zollkontrolle im Zug von Zürich nach München nimmt die bayerische Staatsanwalt- schaft Ermittlungen gegen Cornelius Gurlitt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung auf.

Febr. / März 2012
Die Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt wird von der Staatsanwaltschaft Augsburg durchsucht, die aufgefundenen Kunstwerke werden sichergestellt.

3. Nov. 2013
Durch einen Artikel des Ma- gazins «Focus» kommt der «Schwabinger Kunstfund» an die Öffentlichkeit. Bei vielen Werken soll es sich um Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus handeln.

Nov. 2013
Die von der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern eingerichtete Taskforce «Schwabinger Kunstfund», ein internatio- nales Expertenteam, beginnt mit der Erforschung der Werkprovenienzen. In den nachfolgenden Wochen wer- den die beschlagnahmten Werke in der Datenbank Lost Art veröffentlicht.

Febr. 2014
Cornelius Gurlitt wird durch einen gerichtlich bestellten Betreuer und Anwälte vertreten. Diese teilen mit, dass in Gurlitts Haus in Salzburg weitere Kunst werke gefunden wurden.

April 2014
Cornelius Gurlitt schliesst mit dem Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland eine Ver- einbarung über den weiteren Umgang mit seinem Kunst- besitz ab. Er willigt ein, dass der Bestand von der Task- force «Schwabinger Kunst- fund» erforscht wird und er- klärt sich bereit, er wiesene Raubkunst an die recht- mässigen Eigentümer:innen oder deren Erben zurückzugeben.

6. Mai 2014
Cornelius Gurlitt stirbt mit 81 Jahren in München. Am darauffolgenden Tag, dem 7. Mai 2014, erfährt die Stiftung Kunstmuseum Bern, dass Gurlitt sie in seinem Testament als Allein- erbin eingesetzt hat.

21. Nov. 2014
Das Testament wird durch Verwandte von Cornelius Gurlitt angefochten.

24. Nov. 2014
Nach einer Bedenkzeit von sechs Monaten beschliesst die Stiftung Kunst- museum Bern, die Erbschaft anzunehmen.

März / April 2015
Das Nachlassgericht in München entscheidet, dass das Testament von Cornelius Gurlitt gültig ist. Ein Teil der Familie legt Beschwerde gegen das Urteil ein.

Mai 2015
Zwei Werke aus dem Nach- lass können restituiert werden: Die Erben von David Friedmann (1857–1942) erhalten Max Liebermanns Gemälde Reiter am Strand (1901) zurück. Das Gemälde Femme à l’éventail (1923) von Henri Matisse wird an die Erben Paul Rosenbergs (1881–1959) übergeben.

14. Jan. 2016
Die Taskforce «Schwabinger Kunstfund» legt ihren Abschlussbericht vor. Die Forschung übernimmt in der Nachfolge das Projekt «Provenienz- recherche Gurlitt» der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste. Chronologie des Legats Cornelius Gurlit Kunstmuseum Bern 7

15. Dez. 2016
Das Oberlandesgericht München lehnt den Einwand gegen Gurlitts Testament ab; damit ist die Stiftung Kunstmuseum Bern rechts- kräftige Erbin.

Febr. 2017
Adolph von Menzels Zeich- nung Inneres einer gotischen Kirche (1874) wird an die Erben von Elsa Helene Cohen (1874–1947) restituiert.

Mai 2017
Das Gemälde Le Louvre, matin (1902) von Camille Pis- sarro wird an die Erben von Max Heilbronn (1902–1998) restituiert.

Nov. 2017
Das Kunstmuseum Bern und die Bundeskunsthalle in Bonn stellen erstmals Werke aus dem Nachlass von Cornelius Gurlitt aus.

Dez. 2017
Das Projekt «Provenienz- recherche Gurlitt» wird beendet. Ab Januar 2018 ver- antwortet die Stiftung Deutsches Zentrum Kultur- gut verluste das Nachfolge- projekt «Reviews, Doku- mentation und anlass- bezogene Forschungs- arbeiten zum Kunstfund Gurlitt».

April 2018
Das Kunstmuseum Bern präsentiert die Ausstellung Bestandsaufnahme Gurlitt: Der NS-Kunstraub und die Folgen.

Juli 2018
Die Stiftung Kunstmuseum Bern einigt sich mit den Erben von Paul Cézanne über den Verbleib des Gemäldes La Montagne Sainte-Victoire (1897). Die Erbengemein- schaft Cézanne erkennt die Stiftung Kunstmuseum Bern als rechtmässige Eigen- tümerin des Gemäldes an. Im Gegenzug vereinbart das Kunstmuseum Bern mit dem Musée Granet, das Werk regelmässig in Aix-en-Pro- vence auszustellen.

Sept. 2018
Der Gropius Bau in Berlin zeigt die Ausstellung Bestandsaufnahme Gurlitt: Ein Kunsthändler im National- sozialismus.

Dez. 2018
Das Projekt «Reviews, Doku- mentation und anlassbe- zogene Forschungsarbeiten zum Kunstfund Gurlitt» am Deutschen Zentrum Kulturgutverluste wird abgeschlossen.

Jan. 2019
Das Gemälde Porträt einer sitzenden jungen Frau (1850– 1855) von Thomas Couture wird an die Erben von Georges Mandel (1885–1944) restituiert. Am Deutschen Zentrum Kulturgut ver- luste startet das letzte Forschungsprojekt «Publikation und Ergebnisdokumentation zum Kunstfund Gurlitt».

Juli 2019
Das Gemälde Quai de Clichy. Temps gris (1887) von Paul Signac wird an die Erben von Gaston Prosper Lévy (1893–1977) restituiert. Das Kunstmuseum Bern beginnt in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle «Entartete Kunst» der Universität Hamburg die Provenienzrecherchen zum Konvolut der so- genannten «Entarteten Kunst» des Kunstfundes Gurlitt.

Sept. 2019
Das Israel Museum in Jerusalem zeigt die Aus- stellung Fateful choices: Art from the Gurlitt trove.