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Mit Hans Christiansen, Künstlerkolonie-Mitglied der ersten Stunde, ist ein ebenso vielseitiger wie exemplarischer Jugendstilkünstler neu zu entdecken.

»Ich fasse meine Tätigkeit als Künstler so allgemein als möglich auf: ich will ein Porträt malen, aber auch ein Möbel entwerfen können; ich zeichne Karikaturen, aber auch Tapeten, Plakate, überhaupt Originale für jedes Druckverfahren; ich entwerfe Glasfenster, aber auch gelegentlich einen Wandschirm für Ledertechnik. Meine Devise heißt: ›Darstellung von Charakteristik in Form und Farbe dem Zweck und der Technik angepasst.‹«

Hans Christiansen, 1898

Mit seinen wegweisenden Coverillustrationen für die Zeitschrift „Jugend“ prägte Hans Christiansen (1866-1945) früh und nachhaltig das Bild des Jugendstils in Deutschland. In Paris zum international tätigen Künstler mit Verbindungen bis nach Sankt Petersburg avanciert, wurde er 1899 von Großherzog Ernst Ludwig nach Darmstadt berufen. Hier gehörte er mit Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens zu den ersten sieben Mitgliedern der Künstlerkolonie. Auf der Mathildenhöhe tat Christiansen sich als genuiner Gesamtkunstwerker in Malerei, Architektur und angewandter Kunst sowie als virtuoser Gestalter von Lichterfesten hervor.

Die erste Retrospektive überhaupt zu Hans Christiansen zeigt die ganze Bandbreite dieses vielseitigen Künstlers: vom Hamburger Frühwerk bis zum Wiesbadener Spätwerk. Präsentiert werden unter anderem sein Haus auf der Mathildenhöhe, Zimmereinrichtungen, Glasfenster, Schmuck, Plakate, Gemälde, Zeichnungen, Textilkunst und Keramik, aber auch bislang Unbekanntes wie seine Mode- und Plakatentwürfe aus den 1920er Jahren.

Hans Christiansen zählt zu den markantesten Vertretern des Jugendstils, insbesondere mit seinen Entwürfen auf dem Gebiet des Kunstgewerbes. Sein Œuvre ist das virtuose Ergebnis einer Vielzahl von Inspirationsquellen: Sie reichen vom Kunstgewerbe des späten 19. Jahrhunderts über die Glasfenster von Louis Comfort Tiffany und japanische Farbholzschnitte bis zu Toulouse-Lautrecs Plakatkunst und der Malerei der Nabis.

Spätestens in seinem Pariser Schaffen lässt Christiansen die Tradition seiner Hamburger Jahre hinter sich. Er findet eine neue, eigenständige Formensprache, die dem Jugendstil insgesamt zum Durchbruch verhilft. An der ersten Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt „Ein Dokument deutscher Kunst“ 1901 ist er umfassend beteiligt, unter anderem mit seiner Villa „In Rosen“. Dieses Gesamtkunstwerk fällt 1944 dem britischen Luftangriff auf Darmstadt zum Opfer. In der Ausstellung kann es jedoch mit einem Modell, historischen Fotografien und Teilen der Originalausstattung dokumentiert werden. Auch international ist Hans Christiansen in diesen Jahren auf Erfolgskurs und nimmt an den Weltausstellungen von Paris 1900 und St. Louis 1904 teil. Bis 1911 lebt und arbeitet er in seinem Haus auf der Mathildenhöhe Darmstadt. Seine Bekanntheit weit über die Landesgrenzen hinweg findet 1933 ein jähes Ende: Ausstellungen und Veröffentlichungen sind ihm wegen seiner jüdischen Ehefrau nicht mehr erlaubt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs stirbt Christiansen mit 78 Jahren in Wiesbaden an einer Lungenentzündung. Sein Werk ist zuvor schon in Vergessenheit geraten. Zwar holt ihn vierzig Jahre nach seinem Tod ein Werkverzeichnis ans Licht der Kunstwissenschaft, doch steht der „Erstberufene“ der Mathildenhöhe Darmstadt bis heute im Schatten seiner Zeitgenossen Henry van de Velde, Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens.

Diese bedeutende Werkschau zu Hans Christiansen wird in gleich vier deutschen Institutionen zu sehen sein, die sich die Pflege des kulturellen Erbes um 1900 – den Aufbruch in die Moderne – zur Aufgabe gemacht haben. Den Auftakt macht die Mathildenhöhe Darmstadt. Es folgen das Berliner Bröhan-Museum und das Museum Villa Stuck in München. Auf dem Museumsberg Flensburg wird die Ausstellungstournee kurz vor dem 150. Geburtstag des Künstlers enden und den Pionier der „Jugend“ sowie den Gesamtkunstwerker des Jugendstils in seiner Heimatstadt würdigen. Kurator in Darmstadt: Dr. Philipp Gutbrod, Sammlungskonservator

Eine Ausstellung des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt und des Museumsbergs Flensburg in Zusammenarbeit mit dem Museum Villa Stuck München und dem Bröhan-Museum Berlin.