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Grüne Wiesen, still stehende Skilifte, Pollenflug statt Flockenwirbel: Der Dezember 2015 war der mildeste seit über 130 Jahren. Mit einer Durchschnittstemperatur von 6,4 Grad Celsius war es um 5 Grad wärmer als im langjährigen Mittel.

Als hätte er die Rekordmilde erahnt, holt der Künstler Philipp Messner mit einer großen, wuchtigen Geste die schneelose Realität in den Münchner Stadtraum und schafft mit seiner Aktion „clouds" (ermöglicht und gefördert im Rahmen des Programms „Kunst im öffentlichen Raum“ des Kulturreferats der Landeshauptstadt München in Kooperation mit dem Kunstareal München) ein irritierend surreales Bild von Winterlandschaft: Auf der Südwiese vor der Alten Pinakothek werden drei große Pisten-Schneekanonen aufgestellt, die in einem performativen Happening den Rasen in einen bunten Kunstschneeteppich verwandeln werden. (mehr Infos unter www.nanmellinger.de )

Weniger zufällig als der Zeitpunkt der Performance (Voraussetzung sind Temperaturen unter minus 3 Grad Celsius), ist Messners Beschäftigung mit den Veränderungen der alpinen Winterlandschaft durch den Eingriff des Menschen. Bereits zum Jahreswechsel 2015 fand ein ähnliches Happening am Karer Pass in Südtirol statt. Damals lud Messner den renommierten Südtiroler Fotokünstler Walter Niedermayr ein, die artifizielle Kunstschnee-Landschaft in der ihm eigenen hellen, scheinbar überbelichteten Bildsprache festzuhalten. Aus dieser künstlerischen Kooperation ist eine Serie täuschend schöner und formal eigenwilliger Diptychen und Leuchtkasten-Arbeiten entstanden, die ab 27. Januar in der ERES-Stiftung gezeigt werden. Mit Hansjoerg Dobilar haben die beiden Künstler zudem einen Maler gebeten, ihre Auseinandersetzung mit der Alpenlandschaft um eine weitere Position zu bereichern.

Die Ausstellung, die den Titel „snow future“ trägt, ist ein ungemein spannender Dialog zwischen drei mit unterschiedlichen Medien arbeitenden Künstlern, der zeigt, wie konstruiert und fiktiv alpine Landschaftsvorstellungen sein können. Die zivilisatorische Erschließung und die allgegenwärtige Präsenz des Menschen selbst in den abgelegensten Winkeln der Bergwelt zieht sich als verbindendes Thema durch alle Werke. Neben Fotoarbeiten, Gemälden und Marmorskulpturen werden die drei Künstler auch Videoarbeiten zeigen. Das Projekt wirft mit einem umfassenden Vortragsprogramm außerdem die Frage auf, wie es um den Schnee von morgen bestellt ist, ob die Alpengletscher Bestand haben und welche kollektiven Bilder unsere Vorstellungen vom Sehnsuchtsort Berge prägen.

Wie Walter Niedermayr beobachtet Philipp Messner, der in St. Ulrich im Grödnertal geboren ist, schon lange die radikale Veränderung der alpinen Landschaft durch Tourismus und Klimawandel. So beträgt der Flächenanteil künstlich beschneiter Skipisten in Südtirol über 90 % (zum Vergleich: in Österreich sind es 70 %, in der Schweiz 40 % und in Bayern 17 %). Weiße Kunstschnee-Bänder, die sich wie Papierbahnen die grünen Hänge herunterschlängeln gehören ebenso zu den vertrauten „Heimat“-Bildern wie Touristenmassen, die sich mit Aufstiegsanlagen in luftige Höhen bringen lassen.

So sehr sich die Künstler auf real vorgefundene Landschaften beziehen - es geht ihnen nicht um vordergründige Kritik an der Zerstörung von Natur durch den Menschen. Bei ihrer Spurensuche entdecken sie abstrakte Kompositionen in den verlassenen Schneelandschaften, die eine hyperreale visuelle Ebene eröffnen und teilweise derart künstlich wirken, dass sie an die Grenze zum Virtuell-Digitalen gehen. So werden neue, künstliche Landschaften geschaffen, die überdeutlich machen, wie sehr wir uns durch unsere Eingriffe von der rein weißen Winterwunderlandschaft entfernt haben.