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Was ist >Heimat< Ein Begriff, der keinen Plural kennt. Ein Ort, ein Staat, ein Gefühl, ein Gedanke? Martin Luther sieht im >Himmel die Heimat der Christen< Franz Xaver Kroetz fasst den Begriff weit irdischer, wenn er mutma§t: >Heimat ist dort, wo man sich aufhängt!< Joachim Riedl bezeichnet >Heimat< als einen >deutschsprachigen Sehnsuchtsseufzer, der in anderen Kulturkreisen in dieser Bedeutung gar nicht vorkommt<

Umgangssprachlich wird Heimat gerne mit einem >Sich zu Hause<Fühlen gleichgesetzt. Etymologisch bezeichnet der Begriff einen >Ort, wo man sich niederlässt< mit anderen Worten, eine Art >Stammsitz< einen Platz, an dem man bleiben möchte. Der Begriff schlie§t jedoch auch eine gewisse Mobilität mit ein, die ihm im Laufe der Jahrhunderte abhanden gekommen ist: Denn das >Lager< kann [und muss manchmal] immer wieder woanders aufgeschlagen werden.

Heimat wurde vor allem im 19. und im 20. Jahrhundert gerne mit Herkunft, Geburt und Abstammung gleichgesetzt und legitimierte Ausgrenzung und Verfolgung. Auch heute handelt es sich nach wie vor um einen Begriff, der oftmals gerne politisch instrumentalisiert wird. >Eine Heimat/keine Heimat< haben wird insbeson- dere in Debatten um Migration gegeneinander ausgespielt, wobei letzteres als unausgesprochene Bedrohung einer mühsam hergestellten kollektiven [nationalen] Identität gesehen wird. Gesellschaftlich werden Bilder von >Heimat< unauf- hörlich produziert: Film, Fernsehen, Literatur und Musik bilden das jeweilige [kollektive], meist folkloristisch gefärbte Heimatgefühl ab und erzählen es nach.

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Mobilität und einer immer weiter fortschreitenden Globalisierung und Virtualisierung der Welt stellt sich die Frage, inwieweit >Heimat< noch geographisch gedacht werden kann bzw. ob nicht positive Aspekte einer Sozialität, die mit dem Begriff assoziierbar sind, in einer anderen Weise gefasst werden müssen. Positiv gesprochen, kann die Vorstellung von Heimat die Idee einer Gemeinschaft formulieren helfen, die nicht mehr an einen geografischen Ort gebunden ist. Doch nur, wenn >Heimat< flie§end gedacht wird und mehrere Heimaten zugelassen und denkbar werden, kann sie als Instrument zur Schaffung gesellschaftlicher, insbesondere sozialer Perspektiven produktiv sein und dabei Ein- und Ausschlie§ung, d.h. Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein, vermeiden helfen.

In der Ausstellung >HEIMATEN< wird der Heimatbegriff in seiner multiplen Beset-zung und sozialen Dimension reflektiert. In den vorgestellten künstlerischen Positionen steht der Begriff >Heimat< grundsätzlich auf dem Prüfstand: als filmreifes Klischee [ Reinigungsgesellschaft, Songül Boyraz-Höll, Rirkrit Tiravanija, Jun Yang ], als Herkunftsmythos [ Tobias Z., Ruby Sircar, Shirana Shahbazi, Jun Yang ] und als Bündel kultureller Vorstellungsbilder [ Anny und Sibel Öztürk, Rirkrit Tiravanija, Ruby Sircar, Jun Yang ]. Die KünstlerInnen selbst sind in verschiedenen kulturellen Kontexten aufgewachsen; ihr Verständnis von >Heimat< ist grundsätzlich hybrid.

Die Ausstellung >HEIMATEN< entstand anläßlich des Spektakels >www.heimat.le< das im Schauspiel Leipzig vom 18.-27.Mai stattfindet. Als Teil dieser Ver- anstaltung wird am 18./19./22.-25.Mai, jeweils um 20.45 Uhr, und am 20./26./ 27.Mai, jeweils um 17.45 Uhr eine Inszenierung von Michel Houellebecqs >Ausweitung der Kampfzone< unter der Regie von Ulrich Hüni im Obergeschoss der Galerie zu sehen sein.

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HEIMATEN
Kuratoren: Barbara Steiner, Jan Winkelmann

Künstler: Songül Boyraz, Anny & Sibel Öztürk, Reinigungsgesellschaft, Ruby Sircar, Shirana Shahbazi, Rirkrit Tiravanija, Tobias Z und Jun Yang