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„Dammi Colori“ („Gib mir Farben“) singt der römische Maler Caravadossi in der Eingangsarie zu Giacomo Puccinis Oper Tosca. Die Geschichte, ein Liebesdrama vor politischen Hintergrund, geht schlecht für ihn (wie für fast alle anderen Beteiligten) aus. Kein tödliches, aber doch ein missliches Schicksal erleidet auch das nackte Künstler-Ich in Zobernigs neuestem Video (#24), das 14 min und 22 sec lang von den drei Farben Rot, Grün und Blau in die Knie gezwungen wird. Ihren Ausgang nimmt die Geschichte mit einer Provokation des Rots durch den Künstler. Die blaue und die grüne Figur kehren zurück und bringen ihn trotz heftiger Gegenwehr gewaltsam in eine Stellung, in der ihm der Mund mit schwarzem Tape und die Scham mit einer Bluebox-Schürze von der roten Figur verklebt wird. Anschließend beginnen sie, Bücher auf die Arme, die Schultern, die Knie usw. abzulegen, bis der Künstler unter der Last zusammensinkt und von der grünen Figur mit einem Tritt in die Seite vollends gestreckt wird, um letztlich unter dem darüber stürzenden Blau, Grün und Rot völlig zu verschwinden. Unmittelbar danach richten sich die amorphen Farbfiguren wieder auf, geben ein turnerisches Intermezzo und gelangen so in ihre Ausgangposition zurück, so dass das Spiel von Neuen beginnen kann. Natürlich ist, was sich so herrlich burlesk und absurd präsentiert, ein fundamentaler Angriff auf das Wesen der Kunst selbst, besonders auf ihre mystischen Symbole und häufig transzendenten Absichten. Dabei analysiert Zobernig das Phänomen anhand einiger ihrer wichtigsten Bausteine – den drei Angst einflößenden Farben Rot, Grün und Blau – die in allegorischer Gestalt zwischen realistischem Szenario und abstrakten Bild agieren. Apart ist dabei die Rolle des Künstlers: Von Natur aus kein Rabauke, gelingt ihm, mit graziöser Entschiedenheit aus erstarrten modernistischen Doktrinen wieder etwas Neues aufzubauen.

Auch das, was normalerweise unter „Skulptur“ subsumiert wird, ist in seiner sechsten Einzelausstellung in der Galerie Christian Nagel ein Bekenntnis gegen die Konventionen visueller Sprachlichkeit. Durch vier Sitzskulpturen in den Farben Bluebox, Videoblau, Videorot und Greenbox, von denen drei als Kostüme im Video erscheinen, wird die Galerie quasi in einen RGB-Farbraum umgedeutet. Drei Schaufensterpuppen dominieren den Raum und fungieren in ihrer minimalen Geschlechtlichkeit als Wächter leerer Regaltürme. Wie in vielen seiner Skulpturen wird deren Benutzung nicht nur evoziert, sondern ist tatsächlich möglich, hat sogar im Rahmen einer Ausstellung über Konzeptkunst schon stattgefunden. Lakonischer kann ein Beitrag zu einer solchen Ausstellung kaum ausfallen.

Im widersprüchlichen und wildwüchsigen Gefüge der Kölner Ausstellung nehmen zwei Bilder eine besondere Position ein. Eigentümlich autark beanspruchen ein großes schwarzes und ebenso großes weißes Quadrat einen auratischen Raum für sich ganz alleine. Scheinbar monochrom ist jeder Leinwand fast unsichtbar das Wort LOVE eingeschrieben – nur wahrnehmbar durch den Wechsel des Standortes, der den Lichteinfall verändert. Ähnlich wie konkrete Poesie, können sie daher sowohl als Text, wie auch als Bild wahrgenommen werden. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten Zobernigs liegt die Bedeutung diesmal nicht auf der Hand. Die starke Aufladung bei gleichzeitig größtmöglicher Abnutzung des verwendeten Begriffs macht das Spiel von intentionaler Gestaltung und unprätentiösem Bild-Sein zu einem schwierigen. Man muss wohl sagen: Liebe kann real sein.

S.P.

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Heimo Zobernig