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Wochenenderöffnung: 29. September 2007, 12:00 – 14:00 Uhr 27. – 30. September 2007, 14:00 – 18:00 Uhr Anna-Catharina Gebbers, Bibliothekswohnung

„Malerei, ganz gleich welche Form und Ästhetik mit ihr einhergeht, bleibt immer auch dem Dekorativen verbunden, und damit bleibt sie, anders als jedes andere künstlerische Medium, immer auch eine Sache des Geschmacks. Die Grenz- und Tabuverletzungen konnten noch so radikal sein, das gemalte Bild fand immer früher oder später seinen repräsentativen Ort im heimischen Umfeld, vorzugsweise über dem bürgerlichen Sofa oder Vertigo. Gleichzeitig ist die Malerei die Grundlage zum Verständnis einer jeden anderen medialen Ausdrucksform der Kunst.“ (Udo Kittelmann, Jackson Pollock und die Organisation der Malerei nach der Organisation der Malerei. Sammlung Frieder Burda, Baden-Baden: 2004, S. 6)

Helene Appel holt die Malerei auf eine überraschende Weise ins heimische Umfeld – und lässt sie dort ein subtiles Zerstörungswerk anrichten: Die Hausgeister, die sie ruft, fordern durch Guerilla-Techniken die mächtigen Action Heroes der Malerei heraus.

Die oft großflächigen Ölbilder von Helene Appel verweisen mit ihren sparsamen, flächig wirkenden Kompositionen sowie der Anordnung der Elemente auf Action Painting, gestische Malerei und Informel. Der Betrachter wird mit linearen, zyklischen und punktuellen rhythmischen Strichen, Farbspuren und Scatters verführt. Dem Materialhaften der Farbe mit all seinen Spielbreiten des Pastosen, Lasierenden, Porösen wird eine große Bühne geboten. Tritt man allerdings näher an die Tableaux heran, so entpuppt sich die Räumlichkeit als perfekte Inszenierung, die Elemente werden zu Darstellern und einzelne Objekte als solche erkennbar. Gegenständlichkeit mit vollkommenen Schattenwürfen konkretisiert das, was man eben noch als informelle Komposition identifizierte als illusionistische Malerei: Die Fontana-artigen Schlitze sind tatsächlich Zweige, die Blindenschrift-artige Anordnung grüner Farbflächen entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Blattansammlung

Lucio Fontana misstraute der Produktion von immer neuen Bildern sowie der dadurch angeblich stattfindenden Erweiterung des Erkenntnishorizontes und er entkam den überkommenen bildlichen Formen durch eine Erweiterung der Oberfläche; Jackson Pollock meinte, durch seine Drippings das tradierte Tafelbildes überwunden und eine neue Unmittelbarkeit zwischen seiner eigenen Empfindsamkeit und der künstlerischen Methode geschaffen zu haben. Helene Appel entzieht sich beiden: Die illusionistische Abbildung irritiert die Immaterialität des erweiterten Bildraumes und verweist das Ausleben der Empfindungen ins Reich des Esoterischen. Ganz als wolle sie die herrisch-absoluten Deutungsansprüche der männlichen Kunstgeschichtshelden mit weiblicher List ad absurdum führen, bricht sie die strenge formale Diskussion mit der Darstellung von zarten Zweigen, von wie nach dem Waschen ausgelegten Salatblättern und von zusammengekehrten Krümeln. Aber gerade dieser feine kleine Hausmüll verweist auf das gewichtigste Thema der Bilder: Die Entscheidung für das Fortnehmen oder Stehenlassen, die Aufwertung und Entwertung von (Bild-)Gegenständen. Es ist ein durchaus ökonomischer Prozess, eine Entscheidung für Zuwachs oder die radikale Reduktion, ein Vorgang der Auflösung, Trennung und dem erneuten Verweben. Und gerade die „Salatschrift“ treibt mit der performativen Malweise und der dem Informel nahe stehenden skripturalen Poesie ein hintersinniges Spiel: Die an den Körper gebundene Performativität und die für das Körperlose und die Durchstreichung des Subjekts stehende écriture verbinden sich in Helene Appels sorgfältig angeordneten Objekten zu einem buchstäblichen Kommentar.

Die Leinwände belässt Helene Appel in all ihren neuen, in Berlin ausgestellten Arbeiten unbehandelt. Der warme braune Farbton der rohen Leinwände tritt auf unerwartete Weise in einen Dialog mit dem Grau-Braun der Plattenbau-Hauswände vor den Fenstern. Das staubige Braun-Grau der ehemaligen DDR wird zu einem Protagonisten in der von Appel inszenierten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Kunst der westlichen Moderne: Helene Appel blättert die Seiten des Geschichtsbuches zurück und unterzieht sie einer in der Bibliothekswohnung präsentierten gewitzten Relektüre. Durch gekonntes Hakenschlagen verhindert sie eine letztgültige Interpretation und die damit verbundene Verdammung ihrer Tableaux zum harmlosen Dekorationselement.

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Helene Appel
Der Hase