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Hélène Delprat. “WITH MY VOICE I’M CALLING YOU“
Laufzeit: 07.03. – 24.05.2020
Eröffnung: Fr. 06.03.2020, 19.00 Uhr

Das Zitieren ist für das Werk der französischen Künstlerin Hélène Delprat (*1957 in Amiens) zentral. Aus literarischen, (kunst)historischen sowie filmischen und popkulturellen Referenzen entwickelt sie ihren eigenen abgründigen und exzessiven Kosmos, in dem das Humorvolle mit dem Düsteren und das Ornamentale mit dem Figürlichen verschmelzen. Ihre Werke, die neben Malerei auch Objekte, Videos und szenographische Elemente umfassen, sprengen dabei etablierte kunsthistorische Grenzen.

Nach einem erfolgreichen Karrierebeginn als Malerin zog Delprat sich für ein gutes Jahrzehnt aus der Öffentlichkeit zurück, um mit Videos, Radioprojekten sowie dem Schreiben zu experimentieren. Dabei bediente sie sich einer Praxis, die auf dem unermüdlichen Sammeln von Bildern und Texten beruht. Dafür greift sie auf Bild- und Museumsdatenbanken ebenso zurück wie auf Zeitschriften, notiert in der Metro zufällig Gehörtes oder hält Fragmente von Radiobeiträgen fest. Aus diesen Aufzeichnungen entstanden ihre Radiophonic Drawings. In ihren Arbeiten geht es um Aneignung, Erinnerung und Identität, also die Bilder, Referenzen und Geschichten, die uns durchdringen, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind.

Auch Delprats bildgewaltige Arbeiten sind reich an vielfältigen Bezügen. Sie umfassen Cartoons, ebenso wie die Metamorphosen des römischen Dichters Ovid und Gustave Flauberts unvollendeten und 1881 posthum erschienenen Roman Bouvard et Pécuchet. Filmische Referenzen des US-amerikanischen Regisseurs Joseph L. Mankiewizcs sowie die Grotesken der Renaissance und die Arbeitsweise der Surrealistin Claude Cahun sind ebenfalls Bestandteil ihrer Werke, in die sich stets eine Prise Selbstironie mischt. Die vielfältigen künstlerischen Originale fungieren für die Französin dabei als Katalysator für eigene Bilder und Objekte, in denen die Bezüge nach dem Prinzip der Collage oder Montage stetig neu kombiniert aber auch deformiert und verfremdet, verstärkt oder vervielfältigt werden. Analog dazu, handelt es sich auch bei ihren Ausstellungstiteln meist um Zitate. “WITH MY VOICE I’M CALLING YOU“ (dt. Mit meiner Stimme rufe ich dich) ist dem Refrain des melancholischen Songs Jesus Alone der Band ‚Nick Cave and the Bad Seeds‘ entnommen, mit dem der australische Sänger den Tod ebenso besingt wie das Leben. Die Liedzeile scheint gleichsam ein lockender Ruf aus dem Jenseits sowie Beschwörung der Toten zu sein.

Delprats Umgang mit verschiedenen Medien zeugt von grenzenloser Neugier, die neben der bildenden Kunst auch Theater und Film einbezieht. So greift die Künstlerin nicht nur die Laterna Magica als Vorläufer der Kinoprojektion auf, sondern konstruiert mit szenographischen Elementen auch einen theatralen Raum, der suggeriert eine eigene bisweilen mysteriöse Welt zu betreten. Ebenso wie ihre detailreichen Gemälde wird diese von comichaften Charakteren, hybriden Gestalten, unheimlichen Bestien, lächelnden Smileys und fürchterlichen Fratzen aber auch von floral oder organisch anmutenden Wesen bevölkert. Auch die Künstlerin selbst taucht als Person immer wieder auf. Spielerisch lässt sie das Ornamentale und das Figürliche ineinander übergehen, verbindet das Schöne und Dekorative mit dem Hässlichen und Geschmacklosen. Sie unterläuft feststehende Kategorien, wobei sie auch Mittel der Parodie und Komödie nutzt.

Verschiedene Muster treten in den Arbeiten der Delprats wiederholt auf. Besonders prominent ist das Raster, das sowohl im Ausstellungsraum als auch auf Objekten und Gemälden zu sehen ist. Zu einem hervorgehobenen Zeichen wird es auf einer Fahne mit dem Titel Étendard de mon territoire autonome (dt. Flagge meines autonomen Territoriums), mit der die Künstlerin die Kunsthalle zu ihrem Hoheitsgebiet, zu ihrem eigenen fantastischen Reich erklärt.

Hélène Delprat (*1957 Amiens) lebt und arbeitet in Paris. Ihre Arbeiten werden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international gezeigt, unter anderem im Museu Picasso in Barcelona (Herbst 2020) und im La maison rouge. Darüber hinaus sind ihre Arbeiten in bedeutenden Sammlungen wie dem Centre Pompidou und der Pinault Collection in Paris und dem MoMA in New York vertreten.