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Herlinde Koelbl (geboren in Lindau, lebt in München) ist eine der renommiertesten deutschen Fotografinnen und Dokumentarfilmerinnen. Erst mit 37 Jahren hat sie mit dem Fotografieren begonnen. 1976 schenkte ihr ein Freund ein paar Filme, mit denen sie ihre vier Kinder aufnahm. Schnell erkannte sie ihre Leidenschaft für das Medium und die Möglichkeit, Porträts mit einer ganz besonderen Aussage zu erschaffen.

Die Ausstellung ist in einzelne Themenblöcke gegliedert, die sämtliche Facetten ihres Werks präsentieren. Das Besondere an Herlinde Koelbl ist, dass sie Themen konzeptionell gestaltet und künstlerisch mit ihrem ganz eigenen Blick umsetzt. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet die ab 1980 entstandene Fotoserie Das deutsche Wohnzimmer. Herlinde Koelbl porträtiert Menschen aus allen sozialen Schichten – vom Filmemacher, Künstler, Arbeiter oder Beamter, Landwirt oder Minister – in ihren Wohnzimmern. Ein vergleichbares Thema griff die Fotografin nochmals 2002 in der umfangreichen Arbeit Schlafzimmer auf. Hierzu bereiste sie zahlreiche internationale Metropolen, um die Bewohner in ihrem privatesten Refugium zu porträtieren.

Herlinde Koelbl ist eine der ersten Fotografinnen, die sich der männlichen Aktdarstellung gewidmet haben. In ihrem 1984 veröffentlichten Buch Männer verbindet sie Sinnlichkeit und Aggressivität der Sexualität in der Darstellung des männlichen Körpers. Eine ungewöhnliche Sicht des nackten Frauenkörpers entwickelt die Fotografin in dem Buch Starke Frauen. Sie zeigt nicht das gängige Bild der schönen schlanken Frau, sondern kreiert eine völlig neue Form der Ästhetik mit der Inszenierung der Körperfülle, Vitalität und Präsenz ihrer Modelle. Mit den Aktportraits der russischen Gräfin Nina schuf die Fotografin abstrakte Körperlandschaften, die das Alter voller Würde in seiner Zerbrechlichkeit und der ihm eigenen Schönheit wiedergeben.

In Feine Leute (1986) entwirft Herlinde Koelbl ein sezierendes Sittengemälde der High Society. Die im Blitzlicht gefrorenen Gesten demonstrieren, wie wenig fein und feinsinnig die höheren Kreise sich in der Öffentlichkeit geben. Wenige Jahre später entsteht 1989 die Fotoserie Jüdische Porträts. Die Künstlerin porträtiert weltweit jüdische Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte in Bildern und Texten. Herlinde Koelbl bezeichnet diese Erfahrungen als Markstein in ihrem persönlichen Leben: „In den Gesichtern habe ich soviel Spuren von einem schwierigen Leben entdeckt, soviel Traurigkeit, aber auch soviel Weisheit und Bescheidenheit.“ Ende der 90er Jahre entsteht die Arbeit Im Schreiben zu Haus – Wie Schriftsteller zu Werke gehen. Die eindrucksvollen Schriftsteller-Porträts zeigen unter anderem Jurek Becker, Robert Gernhardt, Durs Grünbein, Ingo Schulze oder Martin Walser. Die politische und wirtschaftliche Elite der Bundesrepublik Deutschland hielt die Fotografin ab 1991 in dem Zyklus Spuren der Macht fest. Über einen Zeitraum von acht Jahren hat Herlinde Koelbl am Beispiel von Politikern wie Angela Merkel, Gerhard Schröder und Joschka Fischer exemplarisch dokumentiert, wie ein Amt den Menschen psychisch und physisch verändert.

Von Beginn an wählte die Fotografin ihre Themen selbst und arbeitete an ihren Fotoserien oft jahrelang, um das für sie Essentielle herauszufiltern. Es geht ihr nicht um den schnellen Blick, sondern um das Erkennen von Strukturen und Verborgenem. Herlinde Koelbls Projekte tragen eine eigenwillige und unverwechselbare künstlerische Handschrift. Couragierte Offenheit und eine schnörkellose Klarheit kennzeichnen ihren Stil. Oft erweitert sie ihre Ausdrucksformen mit den Medien Film und Video und gibt so ihrer Bildsprache eine zusätzliche Dimension. In ihren Bildern spürt man dieses intensive Einlassen, erlebt intime Momente und ist fasziniert von der Eindringlichkeit der Bildprache.

Herlinde Koelbl übernahm diverse Lehrverpflichtungen und erhielt renommierte Preise und Auszeichnungen, darunter 2001 den Dr. Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie. Ihre Werke wurden in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

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Herlinde Koelbl
Mein Blick
Eine Werkschau 1976 bis 2009