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Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigt sich Christian Graf Dürckheim mit dem Gesamtkunstwerk von Hermann Nitsch und hat in diesem Zeitraum wesentlich mehr wichtige und seltene Hauptwerke des berühmten Universalkünstlers gesammelt als bisher bekannt war. Diese Tatsache begreift das MZM Museumszentrum Mistelbach mit dem Hermann Nitsch Museum als Chance und konzentriert auch seine diesjährige Ausstellung zum Gesamtkunstwerk von Hermann Nitsch wiederum auf die Präsentation von ausgewählten Arbeiten von Hermann Nitsch aus der Duerckheim Collection. Mehrmalige Besuche im Hermann Nitsch Museum Mistelbach und auf Schloss Prinzendorf – Hermann Nitschs Residenz und Spielstätte des Orgien Mysterien Theaters – festigten Christian Graf Duerckheims Idee, das zwischen 1957 und 1980 entstandene frühe Werk von Hermann Nitsch in einer eigenen Ausstellung unter dem Titel Hermann Nitsch - Das Frühe Werk, Die Essenz der Duerckheim Collection einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Präsentation, die von 22. Mai 2011 bis 15. April 2012 im Hermann Nitsch Museum Mistelbach gezeigt wird, ist vergleichbar mit den umfassenden Retrospektiven, wie sie bisher im Hermann Nitsch Museum seit 2007 zu sehen waren. Sie gibt einen außergewöhnlichen Einblick in den Werkkosmos des Gesamtkünstlers aus der Perspektive eines Privatsammlers, der sich seit mehr als fünfunddreißig Jahren mit dem Phänomen Hermann Nitsch auseinandersetzt. Der Ziel- und Aufgabenstellung eines Monografischen Museums entsprechend, wird die tiefgreifende Analyse des Werkes – heuer mit Schwerpunkt auf Hermann Nitschs frühe Malerei und Zeichnung – fortgesetzt.

Vor der blutroten dominierten Malwand aus Chateau d’Oiron von 1987 stellt einer der eindrucksvollsten „Altäre“ des gesamten Nitsch Oeuvres der sogenannte „Grazer Raum“ das archetypische Bindeglied von den Malaktion zum allumfassenden Orgien Mysterien Theater quasi außerhalb der Zeit, das heißt in einer Art immerwährendem Jetzt, dar. In einem kapellenartigen Raum – einer White Cube-ähnlichen Situation – wird vor allem der Intimität und der essenziellen Konzentration – beide wichtige Grundpfeiler in der Werkentwicklung von Hermann Nitsch – aus einer neuen Perspektive Rechnung getragen. Der oft als Pendant zur legendären 20. Malaktion Wiener Sezession apostrophierte Grazer Raum entstand als 22. Malaktion am 22. Juli 1987 in der Galerie Hoschek in Graz und wurde kurz darauf Teil der Duerckheim Collection.

„Konzentration“ ist auch das Leitwort, an dem sich der Aufbau dieser einmaligen Werkschau orientiert. Nach der Präsentation der Meisterwerke im Jahr 2010 hat Hermann Nitsch aus den großen farbigen „Kreuzwegstationen“ aus den späten achziger Jahren, in einer Art „mystischem“ Meditationsprozess die in der Ausstellung präsentierten Frühwerke in „Siebenergruppen“ zusammengefasst. In dieser Konstellation ergeben sie nun ein Werk oder einen Werkzyklus, den Nitsch aus der jeweils neuen Perspektive tiefgründig mit „Die sieben Fußfälle“ betitelt.

Nach ihrer Entstehung in den sechziger Jahren bisher kaum gezeigte Wachs- und Bindenbilder repräsentieren die Essenz des jungen, sich im Aufbruch befindenden Künstlers Hermann Nitsch am Rande seiner „Sturm und Drang“ Zeit. Die Mitte, der „Meridian“ der Ausstellung, wird gehalten von einer bisher verschollenen lebensgroßen „Heldenzeichnung“ von Hermann Nitsch, sinnstiftend: Oedipus – Christus. Eine fünfteilige Rieseninstallation des Meisterwerkes „Das letzte Abendmahl“ führt zu einem weiteren Konzentrationspunkt der Duerckheim Collection: die frühe Zeichnung.

Die Ausstellung Hermann Nitsch Das Frühe Werk, Die Essenz der Duerckheim Collection im Hermann Nitsch Museum setzt die Bestrebungen fort, einen der wenigen weltweit anerkannten Künstler Österreichs anhand aller Aspekte seines Werkes auszuleuchten. Die in der Ausstellung präsentierten Frühwerke aus der Duerckheim Collection stellen eine wichtige Station auf diesem Weg dar. Diese fast schon historischen Meisterwerke dokumentieren den Beginn einer künstlerischen Auseinandersetzung, die bis heute andauert und bei der Hermann Nitsch das Verschütten von Farbe als Grundritual jeder Malaktion definiert.

Hermann Nitsch hat ab 1958 mit dem Orgien-Mysterien-Theater (OMT) das große allumfassende Gesamtkunstwerk des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt und 1972 bei der documenta 5 in Kassel erstmals international vorgestellt. Mit dem Orgien-Mysterien-Theater verwirklicht Nitsch seine Vorstellung eines Gesamtkunstwerkes, das unter Einbeziehung der Malerei, der Architektur und der Musik auf der Grundlage griechischer Mysterienfeste eine Katharsis (Reinigung) zum Ziel hat, die letztendlich zum Erkennen des eigenen Selbst führen soll. Diese ästhetische Grundhaltung zieht sich durch das gesamte Werk von Hermann Nitsch. Bei allen Werken steht dabei die Sensibilisierung der fünf Sinneswahrnehmungen sowohl beim Betrachter / Zuschauer als auch beim Akteur im Mittelpunkt.

Bis in die 80er Jahre widmet sich Hermann Nitsch ausschließlich der Verwirklichung seiner Idee des Orgien-Mysterien-Theaters und beginnt erst Mitte des letzten Jahrzehnts wieder mit der Fertigung autonomer Malerei. Im Mittelpunkt steht dabei für Hermann Nitsch die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Farbe. Nachdem in den Jahren zuvor wegen ihres symbolischen Gehalts ausschließlich die Farbe Rot zum Einsatz gekommen war, führt Hermann Nitsch nun alle Farben des Spektrums in die Bildgestaltung ein. Ein wesentliches Anliegen seiner Farbenlehre sind die „synästhetischen Beziehungen zu anderen Sinneseindrücken“ und die „Farbharmonik“ (Hermann Nitsch). Anhand ausgewählter Werke und Farbobjekte (Farbskalen) sowie spezieller Farblehrtexte wird der Farbkosmos des Künstlers in äußerst sinnlicher Weise sichtbar. Hermann Nitsch hat ein vielseitiges und kompromissloses Werk geschaffen, das stets in Begleitung mit kontroversiellen Debatten in der Öffentlichkeit wahrgenommen und rezipiert wurde. Lange musste der Begründer des Orgien-Mysterien-Theaters um die öffentliche Anerkennung seiner ästhetischen Haltung kämpfen.

Die Schau „Hermann Nitsch – Orgien Mysterien Theater“, eine groß angelegte Retrospektive seines umfassenden Werks in der Nationalgalerie in Berlin 2006 – zu sehen waren in 18 Räumen des Martin-Gropius-Baus 300 Werke, unter anderem Altäre und großformatige Schüttbilder sowie Schreine, Partituren, Zeichnungen und Gewänder – war dabei ein weiterer Höhepunkt in der Würdigung seines außergewöhnlichen und streitbaren Werks.

Hermann Nitsch lehrte von 1989 bis 2003 an der Staatlichen Hochschule für bildende Kunst Städelschule in Frankfurt am Main sowie an zahlreichen Sommerakademien und hatte Gastprofessuren 1984/1985 an der Hochschule der Bildenden Künste Hamburg und 2004 am Institut für Theaterwissenschaften der Universität Wien inne. Seine Werke waren bei zahlreichen Ausstellungen, unter anderem 1972 bei der documenta V und 1982 bei der documenta VII in Kassel, vertreten. Im September 2008 fand in Neapel die Eröffnung des Laboratorio Archivio di Documentazione di Hermann Nitsch statt. Das (große österreichische) Hermann Nitsch Museum zeigt seit Mai 2007 das Gesamtkunstwerk von Hermann Nitsch und mit dem internationalen Projekt zum Thema „Private Sammlungen„ bereits die fünfte umfassende Sonderausstellung.

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Hermann Nitsch
Das Frühe Werk. Die Essenz der Duerckheim Collection