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ZÜRICH – Vom 26. August bis 6. Oktober 2006 zeigt die Fabian & Claude Walter Galerie, Zürich, in einer Einzelausstellung aktuelle Arbeiten des japanischen Bildhauers Hideki Iinuma (*1975, Nagano). Neben Skulpturen aus den Serien Balenciaga und Nudes sind mehrere vom Künstler während einem Atelieraufenthalt in Zürich speziell für die Ausstellung geschaffene Werke zu sehen.

Mit seinen in Holz gearbeiteten Figuren bewegt sich der japanische Künstler Hideki Iinuma in einem sowohl von Gegensätzen als auch Verbindungen geprägten Grenzgebiet zwischen westlicher und östlicher Kultur. Sowohl in Europa als auch in Japan besteht eine lange Tradition der figürlichen Holzbildhauerei. Eng an die Ausbreitung der buddhistischen Lehre geknüpft, kam es in Japan schon im 7. Jahrhundert zu einer ersten Blütezeit der Holzskulptur. Gearbeitet wurde bis ins 10. Jahrhundert mehrheitlich in der Technik des ichiboku-zukuri, in welcher das Werk aus einem Block Holz herausgearbeitet wird. Diese uralte Methode der Holzbearbeitung wird von Hideki Iinuma bewusst aufgegriffen und weiterentwickelt. Er kombiniert sie mit einer Art der Oberflächenbehandlung, welche die Arbeitsspuren und die Maserung des Holzes auch unter der Bemalung sichtbar belässt.

Die eigentümliche Stille und Ruhe, die von Iinumas Skulpturen ausgehen, erinnern an japanische Holzskulpturen der Kamaruka-Periode (1192-1333), ebenso wie die Verwendung von Glasaugen, welche in den neuesten Arbeiten Iinumas teilweise aufgegriffen wird. Ähnliches finden wir auch bei Katsura Funakoshi (1951), einem zeitgenössischen japanischen Bildhauer, der sich ebenso auf die Darstellung menschlicher Figuren beschränkt, diese jedoch mit einer glatteren Oberflächenbehandlung ausarbeitet und mit surrealen Elementen verfremdet. Ein weiterer Hauptvertreter der aktuellen japanischen Holzbildhauerei ist Yoshihiro Suda (1969), welcher hyperrealistische, fragile Holzskulpturen von Pflanzen anfertigt und im Raum installiert. Ein gewisser Hang zur Inszenierung ist auch bei Hideki Iinuma zu beobachten, der seine Figuren in ausgesuchten Umgebungen wie Kirchenräumen oder Stadtlandschaften fotografiert.

In Europa erfuhr die Technik der figürlichen Holzbildhauerei eine erste Hochblüte in der mittelalterlichen Kirchenskulptur, wurde jedoch in der Folge zunehmend durch andere Materialien ersetzt bzw. in die Klein- und Volkskunst verdrängt, bis sie im Expressionismus des 20. Jahrhunderts durch Exponenten wie Barlach oder Kirchner eine Wiederbelebung erfuhr. Prominentester Vertreter der zeitgenössischen figürlichen Holzskulptur ist der deutsche Künstler Stephan Balkenhol (*1957). Grundsätzlich haben die Skulpturen Iinumas einiges mit denjenigen Balkenhols gemein: die profane, zeitgenössische Thematik, die Dominanz des Sockels, die Genese aus einem Block, die Sichtbarkeit der Bearbeitungsspuren. Dennoch überwiegen die Unterschiede: Während Balkenhols Figuren eine raue, grobe Oberflächenstruktur aufweisen, sind die Skulpturen Iinumas feiner, homogener gearbeitet. Die für Balkenhols Werke charakteristische emotionale Leere und stereotype Unpersönlichkeit des Ausdrucks macht bei Iinuma einer individuelleren Charakterisierung Platz.

Zwar erscheinen auch die von Modemagazinen und Laufstegen inspirierten Frauen der Balenciaga-Serie und die freizügigen Akte der Nudes on Chairs Serie auf den ersten Blick teilnahmslos, zeigen keine Gefühlsregungen. Wer den Figuren jedoch direkt gegenübertritt, kann hinter der Fassade ihrer geschminkten Gesichter von individuellen Lebensgeschichten geprägte Persönlichkeiten erahnen. Die posierenden Models und die exponierten Nudes scheinen um Haltung und Ausdruckslosigkeit bemüht, bestrebt, eine schützende Fassade aufzubauen. Weitaus weniger drastisch, aber mit ähnlichen Motiven wie der Schweizer Künstler Daniele Buetti (*1956), der Fotografien von Supermodels mit Tattoos von Markennamen versehen hat, entlarvt Hidekii Iinuma das zeitgenössische Schönheitsideal als entpersonalisierte Projektionsfläche für übersteigerte Wünsche und exzessives Konsumverhalten. Indem er die Frauenfiguren aus ihrem von Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit geprägten Kontext herauslöst, sie im natürlichen, archaischen Material des Holzes wiedergibt und ihre Persönlichkeit durchblicken lässt, stattet er sie mit neuer Würde und Individualität aus.

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Hideki Iinuma
Balenciaga and Nudes