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Wo die Obdachlosigkeit wohnt Armselige Hütten in den Niemandszonen einer Großstadt. Sie variieren in Form, Größe und Material, haben aber eines gemeinsam: Alle sind mit blauer Plastikfolie umhüllt, zum Schutz vor der Witterung. Mit erstaunlicher Sorgfalt, die etwas Rührendes hat, haben die Bewohner ihre winzigen Domizile präpariert – und ihnen damit Zeichen von Individualität aufgeprägt. Die Rede ist von Obdachlosen in Tokio und ihren blauen Provisorien, worin sie sich eingerichtet haben im Schatten des Wohlstands. Auf einer Reise durch Südostasien stießen die Münchner Fotografen Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch auf Hunderte solcher „Blue Boxes“ und dokumentierten sie in einem lakonischen Fotozyklus. In seiner formalen Strenge erinnert er an Arbeiten von Bernd und Hilla Becher – nur dass hier nicht Archetypen der Industriearchitektur in Augenschein genommen werden, sondern gleichsam Mahnmale einer Gegenwartsarchitektur der Obdachlosigkeit. Die „Blue Boxes“ von Myrzik und Jarisch sind nur ein Beitrag unter vielen, die der Ausstellung „Himmel über der Straße – Topografie der Obdachlosigkeit“ hochkarätiges Profil geben. Inspiriert von einem ähnlichen Projekt im vorigen Jahr in der Münchner Pinakothek der Moderne besann sich Hubert Ostendorf, Leiter der gemeinnützigen Initiative „fiftyfifty“, seiner eigenen eingespielten Kontakte in die Künstlerszene und brachte schließlich rund zwanzig Teilnehmer unter einen Hut. Wer schon mal auf die regelmäßigen Kunstangebote im Straßenmagazin „fiftyfifty“ geachtet oder direkt die großzügigen Galerieräume in der Jägerstraße im Stadtteil Eller betreten (oder sich im Internet unter „www.fiftyfifty-galerie.de“ einen Überblick verschafft) hat, der weiß, dass hier Werke vieler international gefragter Künstler zu bezahlbaren, gleichzeitig dem guten Zweck dienenden Preisen angeboten werden. Nicht anders im Falle von „Himmel über der Straße“: Vertreten sind, um nur die Prominentesten zu nennen, etwa Andreas Gursky, Boris Mikailhov, Sigmar Polke, Thomas Ruff, Katharina Sieverding, Beat Streuli und Thomas Struth. Die meisten der in dieser Schau versammelten fotokünstlerischen Arbeiten nähern sich dem Thema Obdachlosigkeit eher indirekt, gewissermaßen abstrakt: Wie Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch die Aufmerksamkeit ganz auf die blau drapierten Wohnschachteln der Tokyoter Habenichtse lenken, so zeigt Wolfgang Bellwinkel Schlafsäcke und Decken, Streuli prosaisches „Stadtmobiliar“, Struth ernüchternde Straßenfluchten aus New York. Der direkte Anblick der Menschen im gesellschaftlichen Abseits, der Blick in ihre Gesichter bleibt die Ausnahme – aber dann tut er weh, wie bei Peter Hendricks Porträts drogensüchtiger Frauen oder den Straßenkinder-Szenen des Ukrainers Boris Mikailhov. „Himmel über der Straße“ wird anlässlich der Düsseldorfer Nacht der Museen am 8. Mai mit einem im Stundentakt wechselnden Kultur- und Gesprächsprogramm eröffnet – und zwar wohlgemerkt nicht in Eller, sondern in der storms galerie an der Poststraße, mithin bestens erreichbar. Auf einen Katalog wurde verzichtet, aber die Aprilausgabe von „fiftyfifty“ wartet mit vielen Informationen über die ausstellenden Künstler auf. Olaf Cless

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Himmel über der Straße - Topographie der Obdachlosigkeit
Fotoausstellung über das Leben in den Schattenzonen der Gesellschaft
fiftyfifty - Edition Galerie zu Gast in der Storms Galerie
Arbeiten von Wolfgang Bellwinkel, Eduard Berms-Bata, Mavi Garcia, Andreas Gursky, Peter Hendricks, Karl Henning, Mischa Kuball, Uwe Kölsch, Klaus Mettig, Boris Mikhailov, Ulrike Myrzik + Manfred Jarisch, Sigmar Polke, Claudia Rogge, Thomas Ruff, Katharina Sieverding, Beat Streuli, Thomas Struth, Gerhard Vormwald