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10/06–25/09/22
Eröffnung: Do 09/06/22 19 Uhr
Presserundgang: Do 09/06/22 11 Uhr

Homosphäre

James Bridle, Julian Charrière, Don´t Follow the Wind, Forensic Architecture, Hemauer/Keller, Almut Linde, Cristina Lucas, Rabih Mroué, Carsten Nicolai, Walid Raad, Oliver Ressler, Tomás Saraceno, Susan Schuppli, Tétshim & Frank Mukunday

Der Mensch bewegt sich innerhalb der Homosphäre, dem Luftraum. Hierbei handelt es sich um den bodennahen Bereich der Erdatmosphäre, in dem die Zusammensetzung der Luft nahezu konstant ist. Er umschließt den gesamten Erdball und wird durch das Weltall begrenzt. Der Luftraum ist konturlos. Er bildet eine Zone mit latenten, doch existierenden Grenzen, besteht aus unsichtbaren Gasen, aus mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Elementen. Erst wenn er von Objekten wie Flugzeugen oder Drohnen durchquert, wenn er von riech- oder sichtbaren Stoffen verunreinigt wird, begreifen wir, dass der Luftraum uns ebenso betrifft, wie der Erdboden, auf dem wir wandeln.

Durch ihn werden wir Menschen in direkte Verbindung zueinander versetzt. Das, was sich in unserer direkten Umgebung befindet, atmen wir ein, nehmen wir aktiv in den Körper auf – frische, saubere Luft, aber weitaus häufiger belastete Gasgemische. Alles, was ihn durchquert, kann unseren Körper treffen, verletzen, verwunden. Aber umgekehrt nimmt auch der Mensch direkten Einfluss auf den Luftraum. Denn letzterer bildet die Transitzone für Stoffe, Bewegungen, Subjekte wie Objekte. Was wir an den uns umgebenden Raum abgeben, kann sich schädlich auf selbigen auswirken. Kurz: Der Luftraum und wir befinden uns in einer wechselseitigen Beziehung; wir teilen, was wir ausstoßen, transportieren, verbreiten. Dennoch läuft die menschliche Auseinandersetzung mit dem Luftraum oft unbewusst oder passiv ab. Seitdem durch die Covid19-Pandemie Aerosole das tägliche Miteinander bestimmen, seit im Ukrainekrieg der Appell laut wurde, den Luftraum zu schließen, seit die Angst vor dem Einsatz von Giftgas oder Atomwaffen erneut um sich greift, ist unsere Wahrnehmung des Luftraumes und seiner Relevanz allerdings extrem geschärft. Tatsächlich transportiert er nicht nur Viren, sondern trägt und verteilt auch Staub, Zigarettenrauch, Qualm, Gase oder Munition.

Alles Genannte macht etwas sehr Spezifisches am Luftraum deutlich: Es handelt sich um einen fluiden Raum, einen in letzter Konsequenz unkontrollierbaren Raum, der sich für das bloße Auge nicht erkennbar ausdehnt, keine klaren Konturen oder Grenzen besitzt, in hoher Geschwindigkeit durchquerbar ist und alle Menschen nahezu vollumfänglich umgibt.

Gerade das macht ihn so verletzlich und gleichzeitig brandgefährlich. Denn Sichtbarkeit ist für das menschliche Wahrnehmungs-, aber auch das Urteilsvermögen grundlegend und mittels Begrenzungen schützen wir uns. Der gesamte menschliche Organismus basiert auf dem sensiblen Gleichgewicht von Durchlässigkeit und Undurchlässigkeiten. Mit anderen Worten: Oft wissen wir erst in dem Moment, in dem unser Körper reagiert, ob sich etwas bzw. in einigen Fällen was sich durch den Luftraum bewegt und schließlich Eintritt verschafft hat. Sei dies Kohlendioxid, das wir einatmen, sei es das von Sicherheitskräften versprühte Tränengas oder ein virengetränktes Aerosol. Im Luftraum spielt sich viel mehr ab, als der Mensch wahrnimmt, denkt oder gar befürchtet.Homosphäre widmet sich dieser allgegenwärtigen, unsichtbaren Sphäre und liest sie als Bereich des Unbekannten, des Unvorhergesehen, der oftmals klandestinen Angriffe auf den menschlichen Organismus, den Menschen, Gesellschaft und Natur und damit als einen potenziellen Gefahrenraum innerhalb des Systems Erde.

Die Ausstellung wird durch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration gefördert.

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Programm:

Künstlergespräch
14.09. 19:00
Welche Spuren hinterlässt unsere Lebensweise? Was davon ist sichtbar? Unter welchen wissenschaftlichen, soziokulturellen und politischen Bedingungen geschieht Sichtbarmachung? Wem nutzt sie und wer profitiert davon?
Am Mittwoch, den 14/09 laden wir um 19 Uhr zu einem Künstlergespräch mit Oliver Ressler und Stefanie Böttcher (Direktorin Kunsthalle Mainz) ein. Das Künstlergespräch findet im Rahmen der Vortragsreihe Das Unsichtbare sichtbar machen statt. Hier berichten teilnehmende Kunst- und Wissensschaffende von ihrer Auseinandersetzung mit dem Luftraum.
Die Kosten sind im Eintritt enthalten.

Öffentliche Rundgänge
Am 07/08, 14/08 und 28/08 finden jeweils um 14 Uhr öffentliche Rundgänge durch die aktuelle Ausstellung Homosphäre statt.

Vortrag – Spektren der Atmosphäre im Anthropozän
Am Mittwoch, den 29. Juni lädt die Kunsthalle Mainz um 19 Uhr zu einem Vortrag mit Prof. Dr. André Butz ein.

Projektpräsentation Don't Follow the Wind
Mittwoch, 22. Juni, 19 Uhr
Im Rahmen der Vortragsreihe das Unsichtbare sichtbar machen berichten Kunst- und Wissensschaffende von ihrer Auseinandersetzung mit dem Luftraum.
In Künstlerinnengesprächen und Vorträgen steht das Thema Sichtbarkeit und Sichtbarmachen im Vordergrund. Welche Spuren hinterlässt unsere Lebensweise? Was davon ist sichtbar? Unter welchen wissenschaftlichen, soziokulturellen und politischen Bedingungen geschieht Sichtbarmachung? Wem nutzt sie und wer profitiert davon?
Am Mittwoch, den 22. Juni laden wir um 19 Uhr zu einer Projektpräsentation mit Jason Waite, Eva & Franco Mattes und Nikolaus Hirsch ein. Sie sind Teil des Kollektivs Don't Follow the Wind, welches sich mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima aus dem Jahr 2011 befasst. Anhand 360-Grad-Videos mit Headsets und Helmapparturen präsentiert sie die Nicht-Darstellbarkeit von radioaktiver Verseuchung, des Moments der Katastrophe und dessen andauerndes Nachwirken.

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