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Im Umfeld von exklusiven Medienkunstwerken, deren technische Fertigkeiten einen gattungsspezifischen Innovationskult feiern, sind solche, die sich ganz in den Dienst des Inhalts stellen und eine verständliche, ruhige Erzählstruktur ausbreiten, für den Rezipienten eine angenehme Überraschung. Die Installationen und Filme von Hörner/Antlfinger pflegen hinsichtlich ihrer technischen Voraussetzungen ein Understatement, sprechen Betrachter als Partner an und holen sie mit Leichtigkeit in ihre Welt – eine künstliche, am Computer erzeugte Welt freilich, bevölkert von künstlichen Figuren. Die zweifache Bedeutung des englischen Wortes und Ausstellungstitels figures, das sowohl Figur, Charakter, als auch Zahl bedeutet, unterstreicht den Kontrast des Spiels mit vertrauten Figuren und ihrem synthetischen, gerechneten Erscheinungsbild.

Vereinzelte Worte wie „realistisch“, „unwissenschaftlich“ wandern als Projektionen in einer Installation über eine Zeltwand (“I Want to Believe“, 2001). Sind sie künstlerisches Programm oder Echo alter Argumente in Wissenschaftsdiskursen? Ironisch distanzierte Bezugnahmen zu wahrnehmungstheoretischen Texten sind häufig in den Medienkunstwerken des seit 1991 zusammenarbeitenden Künstlerduos Ute Hörner und Mathias Antlfinger. Sprache spielt in ihren Filmen und Installationen immer eine Rolle, aber keine didaktische oder illustrierende, sondern eine den Wahrnehmungsfluss reflektierende und vor allem erzählende. Es ist nicht nur geschriebene Sprache. Zu den Bildern des Fluges der beiden Raben Odins übers Land („Infinite Land“, 2003) liest eine menschliche Stimme einen Text aus dem Schöpfungsmythos der altisländischen Edda. Der Betrachter kann mittels eines Steuerelements die Flugrichtung der Raben ändern, die über Strommasten, Autobahnen, Windräder, Werbetafeln und Städte gleiten. Ein anderer Film heißt „L‘ après-midi d’un avatar“, der Nachmittag eines Avatars, des von Werbe- und Computerbranche entwickelten elektronischen Dienstboten unserer Tage. Avatare haben, wie man sieht, auch Freizeit und gehen spazieren. Dann plaudern sie über Philosophisches oder Gesellschaftstheoretisches und deren Anwendung im Science-Fiction. Von Star Trek haben die Avatare kaum eine Folge verpasst. Zwar sind uns ihre Redeweise und ihr Jargon vertraut (nebenbei scheinen sie Alter Egos der Künstler zu sein): „Es ist ja auch alles viel praktischer in ihrem Borg-Universum“. Aber auch die retrospektive ästhetische Sperrigkeit der digitalen Animation korrespondiert mit der Sprache: Sie hört sich so künstlich an, wie sie ist, die elektronische Sprachsynthese, deren Aneinanderreihung von Lauten man von der Telefonauskunft kennt: Es entsteht ein Avatar-Dialekt, dem man typischerweise nicht immer recht folgen kann, weil er Betonungen entstellt, in ihrer eigenartigen Künstlichkeit jedoch die Avatare authentischer und charakteristischer erscheinen lässt, also wiederum menschlicher.

Die Ausstellung in der Galerie der Stadt Backnang reiht sich ein in eine Folge von Ausstellungen mit Künstlern wie beispielsweise Gerhard Friebe, Neo Rauch, Ilya Kabakov, Georg Winter, Roland Boden, Eva Maria Reiner oder Malachi Farrell. Sie alle haben mit den verschiedensten Materialien, Medien und Maschinen inhaltsbezogene, klare Arbeiten aus der Mitte eines poetisch geprägten Kunstmachens und -verständnisses heraus entwickelt und dabei bildnerisch vielschichtige, sinnlich präsente Arbeiten mit einer anziehenden Oberfläche vorgestellt, die sich erst in einem zweiten Schritt inhaltlich differenzierter, nachdenklicher und vielleicht auch irritierender mitteilen. Martin Schick

Pressetext

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Hörner / Antlfinger, figures