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Moderne Fotografie trifft Alte Meister Wallraf eröffnet Hotel California

Vom Vergnügungspark ins Martyrium und mit dem Fakir ins Paradies – mit seiner neuen Ausstellung Hotel California schickt das Wallraf seine Besucher auf eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Himmel und Hölle. Bei der ungewöhnlichen Zusammenführung von Alter und Neuer Kunst treffen frühbarocke Paradiesdarstellungen auf Fotografien von menschenleeren Freizeitparks und spät-mittelalterliche Martyrienbilder auf zeitgenössische Dokumente religiöser Ekstase. Die daraus entstehenden Dialoge sind kein leichter Kunstgenuss, sondern polari-sieren und provozieren. Die "museale Achterbahn" ist geöffnet vom 7. September bis 18. November 2007, der Eintritt kostet 6,50 Euro (ermäßigt 4,- Euro), und Jugendli-che sollten sie nur in Begleitung Erwachsener betreten.

"This could be heaven or this could be hell”, heißt es in dem Eagles-Klassiker Hotel California. Hölle und Paradies, Traum und Albtraum, Drogenexzesse, Sektenwesen, psychiatrische Anstalten und Folterzellen werden mit diesem rätselhaften Song assoziiert. Die gleichnamige Kölner Ausstellung fragt, wie trotz der massenhaften Berieselung durch "authentische" Bilder von Sex und Tod noch eine künstlerische Auseinander-setzung mit Lust und Schmerz, Vergänglichkeit und dem "Streben nach Glück" möglich ist. Für die Beantwortung brin-gen die beiden Kuratoren, Andreas Blühm und Roland Krischel, zwei moderne Fotoserien von Desiree Dolron und Tho-mas Wrede (beide *1963) mit mittelalterlichen und frühbaro-cken Meistern aus dem eigenen Haus zusammen. Dazu wähl-ten sie insgesamt rund hundert Bilder aus.

Zwei moderne Fotografen und viele Alte Meister

Die Niederländerin Dolron zeigt in ihrem Zyklus Exaltation – Images of Religion and Death (1991-99) monochrome Schreckensbilder religiöser Ekstase aus verschiedensten Regionen der Welt (Ägypten, Indien, Philippinen, Malaysia, Marokko, Pakistan, Thailand). Dabei schont sie den Betrachter nicht: Ihre Nahaufnahmen zeigen durchbohrte und abgetrennte Gliedmaßen, ihre Totalen gegeißelte und gekreuzigte Menschen. Bilder, die in einer drastischen Sprache von religiösem Masochismus, Rausch und Wahn erzählen. Thomas Wrede hingegen öffnet mit seinen Bildern (Magic Worlds) den Blick für die künstlichen Welten deutscher Freizeit- und Vergnügungsparks. Ob in Rust bei Freiburg, Bottrop-Kirchhellen oder Brühl bei Köln, der 44-jährige fotografiert seine Magic Worlds immer aus leicht erhöhter Position ("göttlicher Blick") und nur außerhalb der Öffnungszeiten. Die menschenleeren Gelände, Fahrgeschäfte und Bauten strahlen deshalb eine unbekannte, geradezu paradiesische Ruhe und Würde aus.

Zur Ausstellungskonzeption

Statt direkt miteinander treten Dolron und Wrede zunächst in einen Dialog mit Alten Meistern aus dem Wallraf. In der Sektion Dolron trifft "Exaltation" auf spätmittelalterliche Tafelbilder, die Heiligenlegenden, Höllenvisionen und Martyriumsszenen zeigen. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen und die farbigen Ge-mälde korrespondieren formal wie thematisch. Ein gutes Bei-spiel dafür sind eine Aufnahme eines thailändischen Fakirs und das Martyrium der Zehntausend: Die durchbohrten Prota-gonisten ertragen ihr Schicksal jeweils nahezu unberührt. Im Ausstellungsteil Wrede hängen Krischel und Blühm den "Magic Worlds" frühbarocke Grafiken mit Paradiesszenen zur Seite. Und auch hier entsteht ein fruchtbarer Dialog: Die Perspektiven auf eine menschenleere Warteschlangenzone und einen geschlossenen, geometrisch angelegten Paradiesgarten ähneln sich auf verblüffende Weise. Der Weg von Adams Ur-Hütte zum Starthäuschen im Schwarzwaldlook ist nicht weit: "Die Vertreibung aus der Freizeit mutiert" – so Roland Krischel, Leiter der Mittelalterabteilung im Wallraf – "zur Vertreibung der Freizeit". Als Bindeglied zwischen den beiden Ausstellungsteilen fungieren Fotografien aus einer weiteren Serie von Thomas Wrede, die den Titel "Magic Feelings" trägt. Sie besteht aus rund zwanzig Porträtaufnahmen (schwarz-weiß) von Achterbahnfahrern in Aktion. Ihre expressive Mimik oszilliert zwischen Lust und Schrecken, Angst und Spaß, Horror und Ekstase.

Fazit einer Ausstellung

Durch die vergleichende Konfrontation zeitgenössischer Fotografie mit ausgewählten und selten gezeigten Werken aus der museumseigenen Sammlung werden über die Jahrhunderte hinweg sowohl Kontinuitäten als auch Brüche deutlich - und zwar nicht nur in der formalen Gestaltung, sondern auch in der inhaltlichen Auffassung von Lust, Schmerz, Tod und Glücksverheißung. Gleichzeitig schärfen die Fotografien von Dolron und Wrede nachhaltig den Blick für die existentielle Aussagekraft der Alten Kunst. Hotel California schickt seine Besucher auf eine emotionale Zeit- und Medienreise von der Malerei des 15. und frühen 16. Jahrhunderts über die Druckgraphik des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts bis hin zur zeitgenössischen Fotografie. Andreas Blühm, Museumsdirektor, bezeichnet den Besuch von Hotel California als eine "intellektuelle Achterbahnfahrt", empfiehlt "die Begleitung jugendlicher Besucher durch Erwachsene" und verweist dabei auf das bekannte Songzitat: "You can check out any time you like, but you can never leave!"

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HOTEL CALIFORNIA
Desiree Dolron / Thomas Wrede