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„Im Dunklen erlebt man von neuem einen kostbaren Schrecken.“ (André Breton) ist in Zusammenarbeit der Galerie mit dem Kunstkritiker und Kurator Hans-Jürgen Hafner zustande gekommen.

Verstärkt sind in der gegenwärtigen Kunstproduktion surreale Elemente zu verzeichnen. Egal ob in der traditionsreichen Königsdisziplin Malerei oder grenzüberschreitend neuen Formaten wie Installation oder Medienkunst: medienunabhängig tauchen wiederholt Momente des Irrational-Fremden auf. Motive, die in ihrer Phantastik aus Träumen stammen könnten, individuelle Mythen und ins Maßlose übersteigerte Bildprogramme und, von Motivik wie Machart her betrachtet, fast ans Unglaubliche grenzende Bildfindungen scheinen zumal eine einem analytischen Blick verpflichtete, kontextuell bezogene künstlerische Praxis an den Rand ökonomischer wie öffentlicher Beachtung gedrängt zu haben. Bei all den überbordenden Sci-Fi-Szenarien , Horror-und Gewaltvisionen, ebenso wie bei den phantastisch entrückten Idyllen sind Etikettierungen wie ‚surreal’ nahe liegend und zugleich vorschnell. Grund genug, für eine Art Rückblick, der einerseits zu klären versucht, was Surrealismus generell fürs Hier und Heute bedeuten kann und ob bzw. wie sich seine historische Leistung, die Gleichsetzung von künstlerischer Revolution und revolutionärer Lebensführung, in der aktuellen Kunstproduktion auswirken.

Der Surrealismus markiert im Chor der Vorkriegsavantgarden eine Ausnahmeposition. In jeder Hinsicht wirkt die surrealistische Bewegung expansiv. Der historische Surrealismus darf für sich globale Bedeutung in Anspruch nehmen: tatsächlich ist er eine internationale Strömung, die nicht nur Literaten, Theoretiker, Künstler und Maler einbindet bis hin zu Bildhauern, Photographen und Filmemachern. Die besondere Eigenart des Surrealismus liegt darin begründet, dass künstlerisch progressive neben traditionellen, ja, reaktionären Medien und Techniken zur Anwendung kommen können, dass formale und inhaltliche Neuerung Hand in Hand gehen und trotzdem immer ein Effekt auf Lebenswelt und -wirklichkeit angestrebt wird. Das surrealistische Projekt zielt auf die Gesellschaft, sie soll durch die surrealistische Revolte zu einer Transformation geführt werden.

Das Interessante an surrealistischer Kunstproduktion ist ihre enorme Durchlässigkeit für verschiedenste Ansätze. Natürlich ist das Unbewusste die Ressource surrealistischer Imagination. Sie kann sich, wie im Automatismus oder der écriture automatique unmittelbar entladen: als Notat oder Gedankenprotokoll. Träume werden erforscht, um sie als Grundlage für teils penible, teils pragmatische malerische Umsetzungen in visuell opulente Metamorphosen oder raffinierte Gedankenbilder zu übertragen. Die Ausstellung „Im Dunklen erlebt man von neuem einen kostbaren Schrecken.“, deren Titel aus dem ersten „Manifest des Surrealismus“ von André Breton, einer messerscharf formulierten Legitimation der Macht des Irrationalen, entnommen ist, setzt Papierarbeiten und Objekte von KünstlerInnen aus unterschiedlichen Generationen in Bezug zu Bretons Konzept des Surrealismus.

Henri Michaux markiert mit seinen rauschhaft-expressiven Bildfindungen eine Loslösung vom doktrinären Surrealismus. Er führt eine existenzielle Komponente in das Projekt Automatismus ein. Für eine Forstsetzung automatischer Verfahren stehen auch die objekthaften Bilder und Skulpturen von Lynda Benglis oder Dan Asher, der mit fragil in die Papiermaserung eingegrabenem Strich assoziative Embleme entwickelt. Zwischen persönlichen Poesien und obsessiver Phantasie vermitteln die Arbeiten von KünstlerInnen einer jüngeren Generation.

Chloe Piene und Ralf Ziervogel etwa erzeugen aggressiv-eigenwillige Erotiken, während Achim Sakic in sehr detailliert ausgeführten Blättern eigenartige, oft in Vitrinen fremdem Zugriff entrückte Objekt-Ensembles zeichnerisch (re-)konstruiert. Svenja Kreh macht ihre großformatigen Tableaus durchlässig für Motivressourcen aller Art, die sie in vielfacher Überlagerung zu assoziativen Bildkomplexen verdichtet. Traumhaft entrückt wirken die Zeichnungen von Elke Härtel.

Um nochmals aus Bretons erstem „Manifest“ des Surrealismus zu zitieren: „Einzig die Imagination zeigt mir, was sein kann, und das genügt, um den furchtbaren Bann ein wenig zu lösen; genügt auch, mich ihr ohne Furcht, mich zu täuschen, zu ergeben (als wenn man sich noch mehr täuschen könnte. (...) Ist für den Geist die Möglichkeit, sich zu irren, nicht vielmehr die Zufälligkeit, richtig zu denken?“

Pressetext

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Im Dunkel erlebt man von neuem einen kostbaren Schrecken
André Breton

mit Caroline Achaintre, Dan Asher, Lynda Benglis, Ursula Damm, Bogomir Ecker, Manuel Terra Eitner, Elke Härtel, Svenja Kreh, Henri Michaux, Raymond Pettibon, Chloe Piene, Achim Sakic, Andreas Schulze, Ralf Ziervogel