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Eröffnung: 21 März 2009, 19.00 - 21.30

Gespräch/Diskussion: 21. März 2009, 17.00 - 18.30, Open Space Tanja Ostojić, Khaled Ramadan, Gülsen Bal and Walter Seidl mit einer Einführung von Nada Prlja

Aufgrund der aktuellen weltweiten Krise durchleben wir heute dramatische Veränderungen, in welchen sich herkömmliche Vorstellungen von "Staat" und existierender Staatsmacht wandeln und zu einer neuerlichen Verlagerung sozialer, ökonomischer und staatlicher Prioritäten führen. Die mächtigsten (oder auch kapitalistischsten) Länder stehen vor einem wirtschaftlichen Niedergang auf Grund einer allgemeinen Panik vor individuellen Verlusten: Verlust von Eigentum, Arbeitsplatz, Stabilität, usw. Die ersten Menschen, die als Folge dieser Krise 'hinweggeschwemmt' werden, sind auch jene, die - ob ökonomisch, ethnisch oder religiös - bereits an den Rand gedrängt waren. Es sind Menschen, die von dem System, in dem sie leben, in bestimmter Weise entfremdet sind. Die Inakzeptanz, der (Im)MigrantInnen in der Gesellschaft gegenüberstehen, führt zu sozialer Isolation beziehungsweise dazu, dass sie als marginalisierte Gruppe von Individuen unsichtbar werden.

Eine auffallend starke Reaktion auf diese Situation zeigt sich im künstlerischen Produktionsfeld, insbesondere in den sozial und politisch engagierten Praxen der letzten Jahre, in Form einer Beschützerhaltung gegenüber entfremdeten oder auf andere Weise dislozierten Gruppen von Einzelpersonen in der Gesellschaft. Man könnte die Frage stellen: Was ist der Auslöser für diese Reaktion von Seiten der Kunst? Sind es eine Reihe nationalstaatlicher Gesetzgebungen aus der jüngerer Zeit? Oder reagieren die KünstlerInnen auf die ungeschriebenen/rechtsfreien Regeln, durch die diese Gruppe "staatenloser Subjekte" tagtäglich verfolgt und erniedrigt wird?

In seinem Buch "Ausnahmezustand" weist Giorgio Agamben darauf hin, dass der Ausnahmezustand keineswegs eine ausdrückliche Rechtsform ist; eher ist er eine Suspendierung der juridischen Ordnung an sich und definiert das Konzept des Grenzbereichs beziehungsweise der Begrenzung des Rechts.1 Diese Ausstellung, die den Titel innere (im)migranten trägt, verwendet diese Vorstellung eines "Grenzbereichs des Rechts", um eine "Geisterstadt" beziehungsweise ein "schwarzes Loch" zu beschreiben, in dem Recht und Gesetzgebung frei interpretiert werden, um Gruppen von aus der Gesellschaft ausgegrenzter Menschen zu unterminieren, zu entwerten, zu isolieren und zu entfremden.

Die Ausstellung will dieser Gruppe von "unsichtbaren Menschen" eine (bisweilen sogar singende / schreiende) Stimme geben, in dem sie Beispiele künstlerischer Erwiderungen auf diese in der heutigen Gesellschaft gängige Situation versammelt, die durch den zuvor angesprochenen "Grenzbereich des Rechts" definiert ist.

Alle Arbeiten, die im Open Space gezeigt werden, sind Kunstvideos, die die Aufmerksamkeit auf zwei unterschiedliche künstlerische Zugänge lenken: erstens die Dokumentation, in der die Lebensgeschichten der "Fremden" aus der Position der Ich-Erzählung geschildert werden (Ostojić/Rych, Ramadan); und zweitens die Methodik der Schaffung unabhängiger Szenarios, die von KünstlerInnen für die Wiederaneignung von Tatsachen und von Dokumenten benutzt wird (Castro/Ólafsson, Lim). Diese zwei unterschiedlichen Ausdrucksweisen des Mediums Video führen dazu, dass die Ausstellung eine Untersuchung des Mediums Video vornimmt. Mit anderen Worten, es führt zu einem Test der Bedeutung der Repräsentation von Wirklichkeit innerhalb des Ausstellens, in dem sie hinterfragt, bis zu welchem Grad dokumentarische Praktiken zusätzliche Szenarien und individuelle Interpretationen der Wirklichkeit aktivieren können/sollen.

Dieser und andere damit verbundene Aspekte der Recherche werden in einer Diskussion erörtert, die um 17 Uhr im Open Space stattfindet. Im Anschluss wird die Ausstellung eröffnet.

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(IM)MIGRANTS WITH(IN)

Kuratorin: Nada Prlja

Künstler: Castro / Olafsson, Minouk Lim, Tanja Ostojic, David Rych, Khaled D. Ramadan